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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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bißchen so wie Hresh. Aber jetzt standen sie neben ihr und standen ihr zur Seite. Sie zeigte auf das schlafende Mädchen, und die Götter nickten, und Friit erklärte ihr, was getan werden müsse, und Boldirinthe – obwohl sie einen kurzen Stich von Bedenklichkeit verspürte – schickte sich ohne Zögern an, es zu tun.
    »Du mußt jetzt das Zimmer verlassen«, sagte sie zu Taniane.
    »Ich…«
    »In dir ist zu große Kraft. Wir können hier drin jetzt nur die Kranken und die Alten und die Fetten brauchen!«
    Tanianes Mund öffnete sich und klappte wieder zu. Sie warf Boldirinthe einen Blick zu, der Erstaunen, vielleicht sogar Verärgerung enthielt, aber sie verließ wortlos den Raum.
    Und nun applizierte Boldirinthe die heiligen Salbungen. Ein Tupfer auf die Lippen der Nialli Apuilana, und einer auf ihre Brüste, und ein dritter an den Ort zwischen ihren Schenkeln. Nialli bewegte sich und begann zu murmeln, als die starke Wärme der Kräutersalben die Haut zu durchdringen begann.
    »Bring die Alte rüber«, sagte sie zu Sipulakinain. »Ich will, daß sie sich aufs Bett hockt und mit ihren Händen die Beine des Mädchens festhält. Und du, du setzt dich hier rauf und drückst ihren Kopf an deine Brust. Ich werde mit ihr tvinnern.«
    Sipulakinain nickte. So schwach sie sich fühlte und so unsicher sie selber auf den Beinen war, sie legte der bebenden uralten Großmutter den Arm um und schleppte sie ans Bett, wo sie sie in die von Boldirinthe vorgeschriebene Position brachte. Dann legte sie sich nieder und barg Niallis Kopf mit den Armen an ihrer Brust.
    Unter heftigem Stöhnen wuchtete Boldirinthe ihre Körpermassen so herum, daß ihr Sensor-Organ in Reichweite dessen von Nialli kam. Es kam natürlich nicht in Frage, daß sie sie sich in der sonst gebräuchlichen Position neben das Mädchen legte, aber schließlich mußte man ja auch auf andere Weise tvinnern können. Sie blickte auf und sah, daß Mueri ihr zulächelte, und sie sah, daß Friit zustimmend seine Hand hoch erhoben hatte. Und Yissou höchstpersönlich half ihr dabei, die rechte Position einzunehmen.
    Und nun ergab sich ein Moment der Unsicherheit und des Unbehagens.
    Boldirinthe war zwar eigentlich schon viel zu alt, als daß sie noch Furcht gekannt hätte, aber über eine gewisse vernünftige Bersorgnis war sie noch nicht erhaben. Sie hatte mit Nialli einmal getvinnert, vor vielen Jahren, am Tvinnr-Tag des Mädchens – ja, wie sich herausstellen sollte, am Vorabend ihrer Entführung durch die Hjjks. Nialli war damals zu Boldirinthe gekommen, um sich traditionsgemäß in die Kunst einweisen zu lassen. Aber Boldirinthe hatte nicht vergessen, von welcher Art diese Tvinnr-Initiation gewesen war.
    Sie hatte damals mit nichts weiter gerechnet als dem gewöhnlichen pubertären Chaos einer Erst-Tvinnerung, bei der die weiche, noch ungeformte, sehr verletzliche junge Seele qualvoll kämpft, sich in der Peinlichkeit einer derartigen neuen ungewohnten Intimität zurechtzufinden und sich zu konzentrieren. Aber Nialli Apuilana hatte sich nach der endlich erreichten Vereinigung ihrer beider Seelen als stark und als wild erwiesen, als so hart und kantig wie eine Maschine aus schimmerndem Metall und voll einer nicht zu bremsenden Antriebskraft. Es ist immer bestürzend, einer derartigen zielstrebigen Kraft in einem sehr jungen Wesen zu begegnen. Und diese Tvinnr-Erfahrung hatte Boldirinthe vollkommen erschöpft. So sehr, daß sie die Erfahrung niemals zu wiederholen wünschte.
    Doch die Fünf hatten es befohlen. Boldirinthe legte ihren Sensor an den des bewußtlosen Mädchens und leitete die Kommunion ein.
    Niallis Seele war verschlossen und entzog sich. Es gab Momente, in denen Boldirinthe das Gefühl bekam, sie würde sie niemals erreichen; es gab Momente, wo Niallis Geist sich völlig vom Körper löste und davonglitt. Doch Boldirinthe und Sipulakinain fungierten als Bollwerke und hinderten die Seele am Davonfliegen, Sie grenzten sie em. Und nach und nach gelang es Boldirinthe, sie zu umhüllen und in ihre umfassende Umarmung zu schließen.
    Und dann öffnete sich Niallis schlafendes Selbst ihr bereitwillig.
    Ihre Seele war unendlich viel tiefer, fremdartiger und reicher als beim erstenmal vor vier Jahren. Damals war Nialli ein kleines Mädchen, jetzt war sie eine Frau, mit allem, was darin an Bedeutungstiefe enthalten ist. Sie hatte kopuliert; sie hatte getvinnert; sie hatte geliebt.
    Und sie hatte die Fünf Himmlischen akzeptiert.
    Was für eine Überraschung!

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