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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Beim erstenmal war in Nialli kein Fetzchen Gläubigkeit zu entdecken gewesen. Unter der modernen Jugend war solche Gottferne nicht außergewöhnlich. Doch Nialli stand damals der Güte der Götter nicht nur gleichgültig gegenüber, nein, sie hatte sich gegen sie abgeschirmt, sie regelrecht zurückgewiesen.
    Jetzt aber spürte Boldirinthe zu ihrem großen Erstaunen in der Seele des Mädchens die Wesenheit der Fünf. Es gab keinen Zweifel an ihrer Nähe, ganz neu und frisch war sie. Alle fünf Aurae, deutlich: Friit und Emakkis, Mueri und Dawinno, besonders hervorgehoben: Yissou-der-Beschützer, breiteten ein göttliches Glühen durch die Wege und Windungen in Niallis Seele. Mit so etwas hätte Boldirinthe bei weitem nicht zu rechnen gewagt. Das göttliche Feuer brannte in dem Kind, und es allein – oder doch beinahe allein – erhielt sie noch im Leben. Vielleicht waren die Himmlischen in sie eingegangen, während sie dem Tode nahe in diesem Sumpf lag.
    Doch auch das NEST war in ihr, die Königin war da.
    Boldirinthe spürte die gewaltige geballte fremdartige Stärke der Insektenherrscherin; sie überlagerte und durchdrang jede Facette in Niallis Geist, ja vermischte sich sogar wechselseitig mit den Aurae der Fünf auf eine ebenso blasphemische wie unwahrscheinliche Art und Weise. Hjjkisches Licht loderte wie ein zorniges Feuer. Hjjk-Dünste umhüllten Niallis Seele. Klammernde Klauen krallten sich überall fest. Ohne Zweifel, davon mußte das Kind während der Gefangenschaft befallen worden sein. Die Opferfrau mußte sich gewaltig anstrengen, um vor solchen Geheimnissen nicht zurückzuweichen – oder gar in ihre Tiefen hinabgezogen zu werden.
    Aber sie wußte, was sie zu tun hatte. Sie war gekommen, um zu heilen. Und mit der Hilfe der Götter würde sie das Übel austreiben.
    Ohne Zaudern machte sie sich ans Werk. Sie rang mit dem Dunklen im Innern der Häuptlingstochter. Sie hackte auf es ein, sie spießte es auf, sie zerschlitzte es bis in seinen Kern. Es schien schwächer zu werden. Die Krallenklauen wirbelten und zuckten. Boldirinthe zerrte eine Kralle los, eine weitere, noch eine, allerdings packten sie beinahe so schnell wieder zu, wie sie sie wegzerrte. Das Ding setzte sich mit wütender Bosheit zur Wehr, peitschte sie mit Kraftgittern, überschüttete sie mit eisig brennenden Sturzbächen. Aber sie wich nicht vor dem Angriff zurück. Ihr Leben lang hatte sie sich auf diesen Augenblick vorbereitet. Immer wieder und wieder regte sich das träge unbesiegbare Ungeheuer, richtete sich auf und sprang, und jedesmal zwang Boldirinthe es nieder, und wieder erhob es sich und wurde erneut zu Boden geschmettert, und Boldirinthe-das-Opferweib schmiedete neue Waffen und wuchtete sich in den Kampf und focht mit all ihren Kräften.
    Langsam, widerstrebend zog sich das Ding in die Tiefen von Niallis Seele zurück und verkroch sich dort in der Höhle, in der es sich aufgehalten hatte. Es war nicht besiegt, doch es war zurückgewichen. Nun bestand die Hoffnung, daß Nialli Apuilana allein die Schlacht zu Ende kämpfen konnte. Boldirinthe hatte getan, was ihr möglich war.
    Dann sprach die Opferfrau zu Friit: »Übernimm du jetzt das Kommando über sie, ich bitte dich, und verleih ihr Stärke.«
    »Ja, das mach ich«, antwortete der Gott.
    »Und ihr auch, Dawinno, Emakkis, Mueri, Yissou!«
    »Machen wir«, antworteten die Götter einer nach dem anderen.
    Boldirinthe baute eine Passage für sie, und die Götter traten in Nialli ein und verschmolzen mit ihren bereits in der Seele vorhandenen Auren. Sie stützten Nialli, wo sie schwankte, sie stärkten sie, wo sie geschwächt war, und füllten ihre leeren Stellen auf.
    Dann verschwanden sie wieder, einer nach dem anderen.
    Zuletzt ging Mueri, doch sie hielt kurz inne und berührte Boldirinthes Seele und umfing sie auf besonders zärtliche Weise, etwa so wie Torlyri sie vor langer, langer Zeit umarmt haben würde. Dann war auch Mueri verschwunden.
    Nialli Apuilana bewegte sich. Ihre Augen öffneten sich. Sie blinzelte mehrmals sehr rasch. Dann runzelte sie die Stirn. Und dann lächelte sie.
    »Schlaf, Kindchen«, sagte Boldirinthe. »Wenn du aufwachst, bist du wieder bei Kräften.«
    Nialli nickte traumverloren. Boldirinthe wandte sich zu Sipulakinain: »Taniane soll reinkommen. Aber nur sie!«
    Der Häuptling schleppte eine Wolke von Besorgnis hinter sich herein; doch sie verschwand, sobald Taniane die Veränderung an Nialli bemerkte. Sofort kehrte ihre Persönlichkeitsstärke

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