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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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enthäutet. Der Traum – er lastet noch auf mir. Und vielleicht werde ich ihn niemals ganz von mir abwaschen können.«
    »Ach, Vater, mein Vater…«
    »Es ist diese scheußliche Jahreszeit. Der Schwarze Wind trommelt mir gegen den Schädel. Und von Jahr zu Jahr treibt er mich tiefer in den Wahnsinn.«
    »Und ich soll dich also jetzt alleinlassen?«
    »Ja. Nein. Nein! Bleib!« Gedankenverloren starrte der König dann wieder in die Dunkelheit draußen vor der Mauer. Den Jungen hielt er dicht an seine Seite gepreßt. »Du weißt doch, wie sehr ich dich liebe, Biterulve.«
    »Sicher, das weiß ich.«
    »Und wenn ich dich vorhin geschlagen habe – das war dieser Irrsinn in mir, der dich schlug, nicht ich…«
    Biterulve nickte, sagte jedoch nichts.
    Salaman zog ihn noch enger an sich. Allmählich legte sich der wütende Aufruhr in seiner Seele.
    Dann spähte er wieder in die Nacht hinaus. Plötzlich sagte er: »Hat es mich schon wieder gepackt, oder kannst du da draußen eine Gestalt erkennen? Jemand auf einem Xlendi, von der Südstraße her?«
    »Du siehst richtig, Vater! Ich sehe es auch.«
    »Aber wer würde denn so spät durch Nacht und Wind, in diesem Wetter, in diesem Braus zu uns reiten?«
    »Wer immer es sein mag, wir müssen ihm das Tor aufmachen!«
    »Warte.« Salaman legte die Hände an den Mund und rief mit trompetenlauter Stimme: »He-Holla! Du da draußen! Holla, kannst du mich hören?« Eine andere Möglichkeit hatte er nicht, mit der Stimme gegen den Sturm anzudringen.
    Das Xlendi taumelte durch den Schnee und schien am Ende seiner Kräfte. Der Reiter war in kaum besserem Zustand. Er hockte vornübergekrümmt verzweifelt an dem Sattel geklammert auf dem Tier.
    »Wer bist du?« schrie Salaman. »So nenn uns doch deinen Namen, Mann!«
    Der Fremde blickte zu ihnen herauf. Er gab einen schwachen krächzenden Laut von sich, den der Sturm unhörbar machte.
    »Was? Wer?« brüllte Salaman.
    Der Mann wiederholte den Laut, schwächer schon als vorher.
    »Vater, der stirbt doch«, drängte Biterulve. »Laß ihn herein. Was kann er schon für Schaden anrichten?«
    »Ein Fremder – nachts – im Sturm…«
    »Aber es ist doch nur ein Mann und außerdem halb tot, und wir sind zu zweit.«
    »Und wenn dort draußen noch andre lauern, die nur darauf warten, daß wir das Tor aufmachen?«
    »Vater!«
    Etwas in der Stimme des Knaben drang durch Salamans Wahnsinn. Er nickte, rief den Reiter erneut an und dirigierte ihn ans Tor. Dann stiegen der König und sein Sohn hinab und schoben das Tor für ihn auf. Der Reiter konnte sein Tier nur unter großen Schwierigkeiten durch die Mauer bringen. Das Xlendi taumelte im Zickzack durch den Schnee, und zweimal wäre der Mann beinahe aus dem Sattel gefallen, und als er schließlich in der Stadt war, ließ er einfach die Zügel los, rutschte vom Rücken des Tiers und landete bebend auf den Ellbogen und Knien. Der König gab Biterulve ein Zeichen, er solle ihm aufhelfen.
    Es war ein Beng-Behelmter. Obwohl er fest in Häute und Pelze verpackt war, die mit gelben Stricken um ihn geschnürt waren, wirkte er halb erfroren. Seine Augen waren glasig, ein schimmernder Eisfrost überzog sein Fell, das von einer ungewöhnlichen rosiggelben Färbung war, sehr ungewöhnlich an einem Beng.
    »Nakhaba!« rief er plötzlich, und ein so heftiger Schauder überlief ihn, daß es ihm fast den Kopf von den Schultern gerissen hätte. »Was für ein Wetter! Die Kälte brennt ja wie Feuer! Ist der Lange Winter zurückgekehrt?«
    »Wer bist du, Mann?« fragte Salaman streng.
    »Bringt mich… ins Warme…«
    »Zuerst – wer bist du?«
    »Kurier. Von Häuptling Taniane. Mit Botschaft für den Edlen Thu-Kimnibol.« Der Mann schwankte und wäre fast gestürzt. Dann raffte er sich gewaltsam auf und sprach mit festerer, tieferer Stimme: »Ich bin Tembi Somdech, Gardist der Stadt Dawinno. In Nakhabas Namen, bringt mich sofort zu dem Edlen Thu-Kimnibol.«
    Dann stürzte er vornüber in den Schnee.
    Finster hob Salaman ihn auf und trug ihn, als wäre er federleicht. Er bedeutete Biterulve, alle drei Xlendis zusammenzubringen und ihre Zügel zu verknüpfen, damit man sie wegführen könne. Zu Fuß machten sie sich dann in die Innenstadt auf. Ein paar hundert Schritt entfernt lag ein Wachposten.
    Als sie darauf zugingen, sah Salaman etwas derart Seltsames, daß er sich fragte, ob er vielleicht noch immer neben Sinithista im Bett liege. Noch ein paar hundert Schritt tiefer in der Stadt befand sich ein Platz, und

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