Der neue Frühling
das Bett zurück und hat sich nicht mehr bewegt.«
Ach, diese verweichlichten Südländer, dachte Salaman. Ein Ritt von ein paar lächerlichen Wochen durch eine kältere Gegend, und sie fallen tot um.
Doch den Wachposten zuliebe schlug er hastig ein paar der heiligen Zeichen, brummte ein »Yissou-sei-ihm-gnädig« und befahl ihnen, einen Heilkundigen herbeizuholen, falls in dem Kerl doch noch ein Funken Leben stecken sollte. Aber außerdem sollten sie Vorsorge für seine Beisetzung treffen. Zu Biterulve sagte er: »Führ sein Xlendi in die Palast-Stallungen. Dann bringst du seine Satteltaschen in meine Privatgemächer und verschließt sie dort gut. Danach begibst du dich zum Gästehaus und weckst Thu-Kimnibol. Unterrichte ihn über das Vorgefallene und sag ihm, er könne seine Kurierpost in Empfang nehmen, wenn er zur Morgenvisite in den Palast kommt.«
»Und du, mein Vater?«
»Ich geh noch einmal für eine Weile in meinen Pavillon, glaub ich. Ich möchte mir über einiges klarwerden.«
Dann ging er hinaus. Er spähte nach links, die Straße entlang und hinüber zur Plaza der Sonne, um zu sehen, ob diese Tänzer vielleicht zurückgekommen waren. Diese Anerkenner und Bekenner. Aber der Platz war leer. Er fuhr sich mit der Hand über die fiebrig-pochende Stirn, bückte sich, schaufelte eine Handvoll Schnee auf und rieb sich damit die Schläfen. Es half ein wenig.
Inzwischen war es kurz vor dem Morgen. Der Wind heulte unvermindert weiter. Aber es hörte nun auf zu schneien. Die Flocken bedeckten erstaunlich hoch die Erde. In dreißig Jahren hatte er keinen derart heftigen Schneefall erlebt. War das vielleicht der Grund, warum diese Leute mitten in der Nacht aus ihren Wohnungen gekommen waren? Um im Schnee, in seiner ungewohnten frischen Neuheit zu tanzen?
Anerkenner – Bekenner – Erkenner – er spielte mit den Bedeutungen.
Ich muß unbedingt gleich heute früh mit Athimin über das reden!
Dann stieg er die Stadtmauer hinauf und stand lange im Auslug seines Pavillons und starrte auf die Ödnis der Südlichen Ebenen hinaus, bis sein Gehirn völlig leer von Gedanken war und sein schmerzender Leib einen Teil der muskulären Verspannung verloren hatte. Nach und nach zeigte sich im Osten ein rosiger Lichtschein. Diese ganze Nacht war nichts als ein Traum, sagte Salaman zu sich. Er fühlte die seltsame Überwachheit der Erschöpfung, als sei er in einen Zustand sogar jenseits der denkbaren körperlichen Müdigkeit eingetreten – oder vielleicht, als wäre er bereits gestorben, irgendwann in dieser Nacht, ohne es zu bemerken… Langsam stieg er die Treppe hinab, und langsam ritt er dann durch die erwachende Stadt zu seinem Palast zurück.
Athimin kam zuerst zu ihm, als er sich am Morgen im Thronsaal in etwas gespenstischer Ruhe der Audienz widmete. Die Bewegungen des Prinzen waren ein wenig seltsam, als er sich zeremoniengerecht dem Thron näherte, sie wirkten irgendwie gehemmt, und Salaman gefiel das gar nicht. Sonst legte Athimin eher ein entschlossenes, eher derbes Gehabe an den Tag, wie es dem Zweitältesten der acht Königlichen Prinzen durchaus angemessen war. Diesmal aber schien er auf den Thron nicht stolz zuzuschreiten, sondern eher näher zu kriechen, und er warf seinem Vater dabei wachsame Blicke zu – wie über einen zum Schutz vor Prügeln vors Gesicht gehobenen Arm hinweg.
»Möge es den Göttern gefallen, dir einen angenehmen Morgen zu bescheren, mein Vater.« Er klang merkwürdig zurückhaltend bei der Formel. »Ich hab gehört, du hattest keine gute Nacht. Die Edle Sinithista…«
»Ach, ihr habt bereits miteinander getratscht, ja?«
»Chhaim und ich durften mit der Dame das Frühstück einnehmen, und sie erschien uns ein wenig beunruhigt. Sie sagte, du hast einen schweren Schwarztraum gehabt und bist dann fortgestürzt aus ihren Armen wie ein Besessener hinaus in die kalte Nacht…«
»Die edle Dame Sinithista«, sagte Salaman, »täte besser daran, ihr königliches Maul zu halten, oder ich werde es ihr stopfen! Aber ich hab dich nicht rufen lassen, um das Szenarium meiner Träume mit dir zu diskutieren.« Er warf dem Prinzen einen scharfen Blick zu. »Wer und was sind Anerkenner, oder wie sie heißen, Athimin?«
»Anerkenner, mein Herr und König?«
»Ja. Genau. Du hast davon doch schon gehört, oder?«
»Aber ja, Vater. Sicher. Nur, es überrascht mich, daß du etwas davon weißt.«
»Passierte grad heute nacht. Auch eins der vielen überraschenden Abenteuer dieser meiner
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