Der neue Frühling
Salaman konnte nicht hierbleiben – das ganze Haus kam ihm von seinem ungeheuerlichen Wahntraum wie vergiftet vor. Er stieg also hinab und hinunter und trat hinaus zu den Stallungen. Verschlafen blickten zwei Stallknechte auf, als er eintrat, aber als sie sahen, daß es der König war, rollten sie sich wieder zusammen. Sie waren an seine Launen gewöhnt. Wenn der König mitten in der Nacht ein Xlendi haben wollte, schön, für sie war das nicht weiter aufregend.
Er suchte sich ein Tier, und dann ritt er an den Stadtwall und zu seinem persönlichen Aussichtspavillon.
Über ihm tobte der Sturm, und er war dermaßen heftig, daß es ein Wunder war, daß er nicht den Mond vom Himmel fortblies. Und es kam mehr Schnee herunter, als Salaman es je erlebt hatte. Immerhin bedeckte er den Boden bereits fingertief, und es fiel immer heftiger immer mehr herab. Er blickte über die Schulter, und im fahlen Mondschimmer sah er, daß die Hufe des Xlendis scharfgezeichnete Abdrücke in der weißen Decke hinterließen.
Er band das Tier unter dem Pavillon fest und raste die Stufen hinauf. Das Herz hämmerte ihm gegen die Rippen. Droben klammerte er sich an den Sims und reckte den Kopf nach draußen, ohne auf die eisigen Böen zu achten. Er mußte sich von jedem Restchen des Traums reinigen, der ihm sein schlafendes, weinbesoffenes Hirn verstört hatte.
Das Land vor der Stadt – von zuckenden Fetzen Mondlicht erhellt, wo der Schein durch die schweren Schneelasten des Sturmes brechen konnte – war weiß wie der Tod. Ein Wind, scharf wie eine Messerklinge, schabte die gefallenen Wasserkristalle vom Boden und wirbelte sie in unheimlichen Formationen empor und weiter. Es gelang dem König nicht, den Geschmack aus dem Mund zu bekommen, den ihm der Schnabelmund des Hjjk-Weibs übermittelt hatte. Sein Begattungsschwengel hatte sich inzwischen wieder gesenkt, aber er schmerzte noch von dem ungestillten Verlangen, und Salaman hatte das Gefühl, als sei der ganze Schaft von einem kaltbrennenden Feuer überzogen, ein Beweis, daß er bei dieser gespenstischen Kopulation mit irgendeiner ätzenden hjjkischen Körperabsonderung in Berührung gekommen sein mußte.
Vielleicht sollte ich da hinausgehen, dachte Salaman. Und mir das Gewand vom Leib reißen und mich nackend im Schnee wälzen, bis ich wieder rein bin…
»Vater?«
Er fuhr herum. »Wer ist da?«
»Ich, Vater, Biterulve.« Unsicher schaute ihm der Junge vom Eingang zum Pavillon her entgegen. Die Augen groß und weit. »Vater, du hast uns Angst gemacht. Als meine Mutter uns sagte, du bist aufgestanden und wie wild aus deinem Schlafzimmer gestürzt… Und dann hat man dich noch gesehen, wie du aus dem Palast geritten bist…«
»Da bist du mir gefolgt?« schrie Salaman. »Du hast mich – bespitzelt?«
Er stürzte nach vorn, packte den schlanken Jungen, zerrte ihn in das Aussichtstürmchen und versetzte ihm mit aller Kraft drei Ohrfeigen. Biterulve schrie nach dem ersten Schlag laut auf, wahrscheinlich ebenso aus seiner Bestürzung wie wegen des Schmerzes, dann aber blieb er stumm. Im Mondlicht sah der König den nichtbegreifenden Blick in den schimmernden Augen seines Sohnes, und er sah den gleichen kalten Schein auf den wirbelnden Schneeflocken. Er ließ den Jungen los und taumelte wieder auf den Auslug zu.
»Vater«, sagte Biterulve leise und kam auf ihn zu – mit ausgestreckten, weit geöffneten Armen, als scherte er sich nicht mehr darum, was er damit riskierte.
Den König durchfuhr ein heftiges konvulsivisches Zucken, und er riß Biterulve in seine Arme und preßte den Jungen so heftig an sich, daß der pfeifend ausatmen mußte. Dann ließ er ihn los und sprach ganz leise: »Ich hätte dich nicht schlagen dürfen. Aber auch du hättest mir nicht hierher folgen dürfen. Du weiß doch, niemand darf mir nahe kommen, wenn ich nachts in meinem Pavillon bin.«
»Aber wir hatten doch so große Angst, Vater. Meine Mutter sagte, du warst nicht mehr recht bei Sinnen.«
»Vielleicht.«
»Können wir dir helfen, mein Herr Vater?«
»Das bezweifle ich stark. Ja, wirklich, sehr stark.« Salaman griff wieder nach dem jungen Prinzen und zog ihn mit dem Arm dicht an sich. Mit hohler Stimme sagte er: »Ich hatte in dieser Nacht einen Traum, Junge, einen solchen Traum, wie ich ihn keinem je enthüllen werde, nicht dir und keinem sonst, außer daß ich vielleicht sagen werde, es war ein Traum, geeignet, einen Mann aus seiner gesunden Vernunft herauszuschälen, wie wenn jemand eine Frucht
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