Der neue Frühling
ähnlich wie der Geruch von brennendem Holz – ging von ihm aus. Die Sprache seines Körpers war deutlich und keineswegs schwer zu entziffern.
In seinen glitzernden Bernsteinaugen stand hungriges Verlangen – nach ihr.
Ein anderes Wort vermochte sie dafür nicht zu finden. Nicht bloße geschlechtliche Lust, obwohl dies mitschwang; nicht eine Sehnsucht nach ihrer Freundschaft, obwohl er das durchaus so empfinden mochte; auch nicht ein zartes Gefühl, das man leichthin als Liebe hätte gelten lassen können. Nein, es war Hunger. Einfach, aber keineswegs klar. Und eigentlich auch gar nicht so einfach. Ihr schien es, als wollte er sich auf sie stürzen, sie verschlingen, ihr Fleisch zu seinem eigenen machen. Es war jedesmal das gleiche, wenn sie mit ihm zusammentraf (und dies war so selten, wie sie es anständigerweise einrichten konnte). Aber jetzt, als Husathirn Mueri sie über die Weite der Gerichtshalle hin anstarrte, hatte sie fast das Gefühl, als läge sein Gesicht zwischen ihren Schenkeln und bohre sich dort gierig ein. Was für ein sonderbarer Mann! Dabei doch äußerlich durchaus anziehend: schlank, elegant, geschmeidig, sogar schön (sofern es konventionell möglich gewesen wäre, einen Mann als ‚schön’ zu bezeichnen). Und intelligent und in seinem Betragen sanft und höflich. Aber seltsam eben. Nein, Nialli Apuilana mochte ihn ganz und gar nicht!
Rechts vom Thron stand der gewaltige Muskelheld und Hauptmann der Wachen, Curabayn Bangkea, und sah unter seinem Riesenhelm halb begraben aus. Auch er glotzte sie ziemlich lasziv an, aber sie wußte, das, was sich in seinem Hirn abspielte, war weit weniger kompliziert. Sie war es gewöhnt, von Männern aller Art angestarrt zu werden. Natürlich wußte sie, daß sie attraktiv war. Alle Welt versicherte ihr, sie sei das Abbild ihrer Mutter Taniane, als diese jung war und einen seidigschimmernden rotbraunen Pelz und lange schlanke Beine hatte… und ihre Mutter hatte als die schönste Frau ihrer Zeit gegolten. Sogar heute noch sah sie außergewöhnlich attraktiv aus. Also – bin auch ich schön… also… starren sie mich an. Das geht bei denen ganz automatisch. Doch sie hatte auch irgendwie eine Ahnung, daß die Aura absoluter Unnahbarkeit, mit der sie sich gewöhnlich umgab, sie für manche Leute nur noch attraktiver machte.
Salbungsvoll begann Husathirn Mueri zu sprechen:
»Dawinno lenke dich, Nialli Apuilana! Nakhaba erhalte dich und sei dir hold!«
»Verschone mich mit derlei verlogenem Honigbrei«, gab sie scharf zurück. »Du brauchst meine Hilfe bei einer Übersetzung, sagt dein Büttel. Was soll ich übersetzen?«
Er wies auf den Fremden. »Die Wächter haben ihn vor kurzem hergebracht. Er spricht nur Hjjk und ein paar Brocken unsrer Sprache. Also dachte ich, du erinnerst dich vielleicht noch an genug Wörter aus der Sprache des Wanzen-Volks und könntest mir übersetzen, was er sagen will.«
Sie blickte Husathirn Mueri kalt und abweisend an. »Sprache des Wanzen-Volkes?«
»Äh… Ach so, tut mir leid. Ich meine natürlich die Sprache der Hjjks.«
»Ich empfinde die andere Bezeichnung als beleidigend.«
»Bitte um Euren Pardon, Edle. Ehrlich. Es ist mir einfach so herausgerutscht. Es soll nicht wieder geschehen.« Er schien sich geradezu zu winden und sah ehrlich bekümmert aus. »Würdest du dann mit ihm sprechen? Jetzt? Und bitte versuche herauszufinden, warum er zu uns gekommen ist.«
»Ich will mich bemühen«, antwortete sie eisig.
Sie trat zu dem Fremden, stellte sich ihm gegenüber auf, so nahe, daß auch sie in dem Lichtkegel stand und die Spitzen ihrer Brüste beinahe den Nest-Schutz berührten, der ihm auf der Brust hing. Und er hob die Augen und blickte sie an.
Er war älter, als sie zunächst geglaubt hatte. Aus der Ferne hatte er kaum reifer als ein Knabe gewirkt; dies war aber wohl auf seinen fragilen Körperbau zurückzuführen, denn er mußte mindestens so alt sein wie sie, vielleicht sogar ein, zwei Jahre älter. Aber er trug eben kein Gran Fett am Leib und war auch erbärmlich wenig muskulös.
Bei einer Diät von Körnern und Trockenfleisch wird man so. Nialli Apuilana wußte das, weil sie es selbst so erlebt hatte.
Der Fremdling hatte höchstwahrscheinlich jahrelang bei den Hjjks gelebt. Lang genug jedenfalls, daß sein Leib von ihrer kargen Kost geformt werden konnte. Er hatte auch die steife spröde Haltung eines Hjjk, als wären der Pelz und das Fleisch an ihm nur eine Hülle, die die hagere Insektengestalt
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