Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
erst ein paar Wochen alt. Für die jetzige Situation war so etwas unvorstellbar. Der Fluß der Dinge lief zu rasch. Ja, wenn er einen zauberischen Wunderstein besäße wie Hresh, dann könnte er wohl seinen Geist hierhin schweifen lassen und dorthin, wie es ihm beliebte, und überall und in alles hineinspähen. Doch es gab leider nur den einen Zauberstein, und den hatte nun einmal Hresh.
    Heute ging ihm aber auch schon alles in die Quere! Die einlaufenden Botschaften waren wertloses Zeug, Brei und Nebel, dunkel und verquastes Durcheinander, kein bißchen Präzision. Reine Zeit- und Energieverschwendung!
    Nun ja, das ließ sich nicht ändern. Salaman ließ seinen erschöpften Sensor erschlaffen. Vielleicht war morgen ein besserer Tag. Er schickte sich an, die Stufen hinabzusteigen.
    Aber dann drang wie eine aufgeregte Himmelsstimme die Bewußtseinsebene seines Sohnes zu ihm herüber:
    - Vater! Vater!
    - Ja, Biterulve?
    - Vater, kannst du mich hören? Hier Biterulve!
    - Ja, ich höre dich.
    - Vater?
    - So red schon Junge! Sag es mir!
    Dann folgte Funkstille. Salaman spürte, wie die Wut in ihm bereits wieder heraufzuwallen begann. Eindeutig, der Bub hatte ihm was Wichtiges mitzuteilen; aber es war ebenso eindeutig, daß Biterulves Sendungen und die seinigen nicht koordiniert waren. Salaman fuhr herum und richtete sein Sensororgan schräg in die Richtung, aus der Biterulves Transmissionen kamen. Es war zum Wahnsinnigwerden! Dermaßen ungenau, keine Präzision, bloße Näherungswerte an auswertbar Sinnvolles… Bilder und Gefühlsfetzen, statt Worten, alles codiert, und man mußte es entschlüsseln, mußte es interpretieren. Eines allerdings war klar: Es gab etwas Neues im Norden. Nein, Salaman zweifelte nicht daran. Er spürte unmißverständlich die Erregtheit des Jungen.
    - Biterulve?
    - Vater! Vater!
    - Ich kann dich hören. Sag mir, was es ist…
    Salaman fühlte, wie der Junge kämpfte. Biterulve besaß eine tiefe Sensitivität, aber sie war von einer merkwürdigen Art: schärfer über weite Entfernungen als über Nahstrecken. Salaman hämmerte die Faust auf die Backsteinbrustwehr seines Walls. Er reckte sein Sensorium so hoch, wie er nur konnte und bis es nicht mehr höher ging, und bestrich die Luft mit gespreizten Armen, als könnte er auf diese Weise die Botschaft, die sein Sohn ihm sandte, klarer verständlich aus ihm herausholen.
    Dann kam eine Bildübertragung, die in ihrer Deutlichkeit keine Zweifel zuließ.
    Blutbedeckte Leiber auf einem flachen Stück Lands zwischen zwei Flußgewässern. Hunderte von Leichen. Die Schar von Zechtior Lukin.
    Stakige Schattengestalten stolzieren zwischen den Leichen herum, beugen sich ab und zu nieder, als suchten sie sich die eine oder andere Trophäe aus.
    Die Hjjks!
    - Sie sind tot, Vater! Die Akzeptänzler! Alle bis zum letzten Kind! Kannst du mich hören?
    - Ich höre dich mein Junge.
    -Vater? Vater? Es ist dermaßen klar über die nördlichen Relaisposten durchgekommen. Sie sind alle umgebracht wor
den, im Hjjk-Gebiet, an einem Ort, wo die Flüsse sich gabeln.
Alle gläubigen Akzeptänzler – sie sind restlos ausgelöscht.
      Salaman nickte beifällig, als stünde Biterulve dicht neben ihm. Er schleuderte mit einem wilden Stoß seine Mentalenergie dem Knaben eine Nachricht zu, so heftig, daß er sicher war, sie würde durchkommen, und erklärte ihm, er habe die Information erhalten und verstanden; und kurz darauf kam die Bestätigung von Biterulve zurück, und der Junge klang wahrlich erleichtert, daß es ihm geglückt war, sich verständlich zu machen.
    Endlich! dachte Salaman.
    Jetzt endlich beginnen die Räder zu rollen!
    Die gläubigen Akzeptänzler hatten ihr ersehntes Martyrium gefunden. Es war an der Zeit, die zweite Kolonne vorzuschicken, die Vergeltungsstreitmacht, die wahrscheinlich gleichfalls einen blutigen Märtyrertod auf dem Schlachtfeld sterben würde, wenn auch gewiß weit weniger gelassen. Und danach mußte man bereit sein für den Totalen Krieg, der unweigerlich folgen mußte.
    König Salaman wuchtete sich herum und spähte wieder nach Süden. Einen Moment lang gönnte er sich Ruhe, stand nur da, atmete flach und sammelte seine Kräfte. Diesmal durfte es weder Zweideutigkeit noch Deutungsspielraum geben. Die Botschaft mußte über die Relaiskette sofort und ohne irgendwelche Verzerrungen transmittiert werden und unverfälscht und fehlerfrei Thu-Kimnibol im fernen Dawinno erreichen.
    Salaman beschwor die Bilder herauf. Die toten Leiber am Flußufer.

Weitere Kostenlose Bücher