Der neue Frühling
wurde, um ihn zum Schweigen zu bringen.«
»Und du weißt, daß dies gewißlich wahr ist?« fragte Tikharein Tourb.
»Es ist schon wahr. Bei allen Göttern, es ist wahr!«
Tikharein Tourb blickte ihn lange stumm und starr an, als wolle er ihn abschätzen und beurteilen. Die schmalen grünen Augen des Knaben waren kalt wie das Eis, das im innersten Herzen der Welt liegt. Ein einzigesmal vorher hatte Husathirn Mueri solche Augen gesehen: die ausdruckslos hellen Augen des Gesandten Kundalimon. Doch selbst noch im erbarmungslosesten Blick von Kundalimon hatte stets ein Hauch mitkreatürlichen Mitgefühls geleuchtet. Die Augen dieses Knaben hier aber waren völlig eisig und entsetzlich.
Das eisig-wütende Schweigen hielt an und schien kein Ende nehmen zu wollen. Tikharein Tourb und das Mädchen standen statuenstarr und stumm da. Dann sah Husathirn Mueri, daß das Sensor-Organ des Jungen zu zucken und sich zu versteifen begann und sich dann unmerklich seitwärts bewegte, bis es mit der Spitze die Sensorspitze von Chhia Kreun berührte. Es sah beinahe aus, als träten die beiden in eine Kommunion vor seinen Augen. Was sie ja vielleicht taten.
Dann sagte der Junge: »Schwöre mir bei deiner Liebe zur Königin, daß es Thu-Kimnibol war, der Kundalimon ermorden ließ.«
»Ich schwöre es!« sagte Husathirn Mueri ohne Zögern.
»Und daß es das Ziel dieses von Thu-Kimnibol angezettelten Krieges ist, das Nest zu zerstören und IHREN Tod herbeizuführen, die unsre Trösterin und unsre Lust ist.«
»Das ist das Ziel. Ich schwöre es.«
Wieder blickte Tikharein Tourb starr vor sich hin. Was für ein entsetzliches, für ein beängstigendes Kind der ist, dachte Husathirn Mueri. Und das Mädchen ebenfalls.
»Nun, dann wird er sterben«, sagte der Junge schließlich.
Hresh saß in seinem Garten der Tiere, und es wimmelte um ihn von kleinen prächtig gefärbten Geschöpfen. Die beiden purpur-gelben, seine Caviandis, lagen neben ihm, und er streichelte sie sanft. Er hob den Blick, als Nialli Apuilana hereingestürmt kam.
»Vater!« rief sie sofort laut. »Vater, mir ist etwas Seltsames widerfahren – etwas ganz Absonderliches…«
Er blickte ihr ausdruckslos und gleichgültig entgegen, wie wenn sie gar nicht gesprochen hätte. Die Augen waren in sich gekehrt, der Gesichtsausdruck noch sanfter als sonst. Eine große Trauerigkeit umgab ihn, wie Nialli sie nie zuvor an ihm gesehen hatte, und er schien unter ihrer Last geschrumpft zu sein, ein Besiegter, ein sehr alter, sehr zerbrechlicher Mann.
Das ängstigte sie. Die eigenen ungeordneten Ängste und Beklemmungen wichen in den Hintergrund. Sie war mit ihrem Entsetzen und in ihrer Not zu ihm gekommen, doch sie erkannte, daß seine Not weit größer sein müsse als die ihre.
»Was ist denn, Vater?«
Hresh zuckte unmerklich die Achseln und wiegte langsam den Kopf her und hin wie ein waidwundes Tier. Er schien ihr unendlich weit entfernt zu sein. Nach einer ganzen Weile sprach er: »Jetzt steht es fest. Es gibt Krieg.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe gerade das Signal aus dem Norden gespürt. Vielleicht hast auch du es aufgefangen. Und nichts kann das Furchtbare mehr aufhalten. Alles ist an Ort und Stelle, und das Wort ist ausgegeben: Es geht los!«
Sie starrte ihn begriffsstutzig an. »Ich bin nicht sicher, daß ich begreife, wovon du redest, Vater.«
»Du weißt also nichts von dem Bündnispakt, den Thu-Kimnibol aus Yissou heimgebracht hat?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wir haben uns dazu verpflichtet, Salaman militärisch zu Hilfe zu kommen, wenn er jemals von den Hjjks angegriffen wird. Und genau das geschieht in Kürze – ein Angriff, den Salaman vermutlich selbst provoziert hat. Vielleicht sogar mit einiger Unterstützung seitens meines Bruders. Und wenn die Hjjks erst einmal auf Yissou-Gebiet vordringen, dann muß unsere Armee nach Norden ziehen, und es gibt einen totalen Krieg.«
»Und das ist genau, was die zwei schon immer haben wollten.«
Hresh nickte. Tonlos sagte er: »Ströme von Blut werden vergossen werden, auf unsrer und auf ihrer Seite. Schreckliche Sündbarkeiten und Greuel werden geschehen. Hjjk-Soldaten werden durch unsere Städte marschieren und sie mit Fackeln in Brand stecken, oder wir werden das Nest zerstören, oder aber es wird alles beides geschehen. Am Ende macht es keinen Unterschied, was wem geschieht. Ob wir siegen oder unterliegen… Alles, was wir bisher erreicht haben, wird zerstört sein.«
Er sah so verloren aus, so
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