Der neue Frühling
sollten sie haben.
Auch als er von der Zerstörung von Vengiboneeza erfuhr, traf ihn dies als ein Schock, allerdings von anderer Art. Vengiboneeza war von früher Zeit an eine Stadt voller Erhabenheit und Wunder gewesen. Es schmerzte tief, daß diese Schatzkammer antiker Wunderwerke, in der er seine Jugend verbracht hatte, nun durch diesen Krieg gründlicher zerstört worden war, als es selbst der Lange Winter vermocht hatte.
Dann aber schob er seine Bekümmerung beiseite. Nichts war ewig – außer der Ewigkeit selber: Die Vernichtung Vengiboneezas zu beklagen, das hieß Dawinno zu leugnen. Die Götter geben, und die Götter nehmen. Die fließende Veränderung ist das einzig Konstante. Der Verwandler fegt alles zu seiner Zeit davon und setzt Neues an seine Stelle. Und Hresh wußte, es hatte auf dieser Erde gewaltigere Städte gegeben als Vengiboneeza, von denen kein Steinchen übrig geblieben war, nicht einmal ihr Name.
Thu-Kimnibol starrte ihn fest an. Nach langem Schweigen sagte er: »Ich glaube, du bedarfst der Ruhe, Bruder.«
Hresh lachte. »Willst du mir damit zu verstehen geben, daß ich senil bin oder nur ganz schlicht verrückt?«
»Nur daß du von – Yissou mag wissen was für – fürchterlichen Strapazen erschöpft bist. Und daß es so ziemlich für uns zwei im Augenblick der allerletzte Irrsinn wäre, uns der Königin in die Klauen zu stürzen.«
»Ich war bereits in ihren Klauen, wie du sagst, und hier bin ich und will dir darüber berichten. Ich kann mich auch ein zweitesmal von ihr befreien. Ehe dieser Krieg sich noch mehr ausweitet, Bruder, mußt du ein paar Dinge erfahren.«
»Dann berichte mir davon.«
»Nein, Bruder. Du mußt es selbst sehen.«
Wieder blickte Thu-Kimnibol starr vor sich hin. Wieder Schweigen. Es ging nicht weiter.
Schließlich fragte Hresh: »Vertraust du mir, Bruder?«
»Das weißt du doch.«
»Glaubst du, ich würde dich zu etwas verführen wollen, was dir schadet?«
»Du könntest es. Ohne Absicht natürlich. Hresh-voller-Fragen bist du immer geblieben. Du steckst deine Nase überall hinein. Du warst immer furchtlos, mein Bruder. Zu furchtlos vielleicht.«
»Und du? Bist du etwa Thu-Kimnibol-der-Hasenfuß?«
Thu-Kimnibol grinste. »Ach, du denkst wohl, du kannst mich zu diesem Aberwitz verlocken, indem du meinen Stolz am Schwanz kitzelst, Hresh? Gesteh mir eine Spur von Intelligenz zu, Bruder.«
»Das tue ich ja. Und mehr als eine Spur. Ich bitte dich noch einmal, geh mit mir zur Königin. Wenn du die Welt zu beherrschen gedenkst – und ich weiß, das tust du –, dann mußt du die Natur des einen Wesens begreifen lernen, das dir den Weg dazu versperrt. Komm mit mir, Bruder!«
Und Hresh streckte die Hand aus. Seine Stimme war fest. Sein Blick fest.
Thu-Kimnibol verlagerte unruhig sein Körpergewicht von einem Bein aufs andere. Mit verdüsterter Stirn stand er gedankenverloren da und zupfte an der Pelzkrause an seinem Wangenbein. Sein Gesicht war von Zweifeln umdüstert. Dann wandelte sich sein Ausdruck. Er schien weich zu werden – Thu-Kimnibol und Weichwerden! – unter Hreshs nicht nachlassendem psychischen Druck. Mit gedrückter Stimme fragte er: »Was hältst du davon, Nialli? Soll ich es machen?«
»Ich glaube, du solltest es machen.« Ohne Zögern.
Thu-Kimnibol nickte. Es war, als tauchte er unter einer Wolke hervor. Und zu Hresh sprach er: »Wie geht das also?«
»Wir werden tvinnern, und dann trägt uns der Barak Dayir ins Nest-der-Nester.«
»Tvinnern? Du und ich, wir beide? Hresh, sowas haben wir doch nie gemacht!«
»Nein, Bruder, nie.«
Thu-Kimnibol lächelte. »Es ist schon ein wenig seltsam, die Vorstellung, daß ich mit meinem leiblichen Bruder tvinnern soll. Aber wenn es sein muß, dann machen wir es, was, Hresh? Also sei es denn!« Und zu Nialli sagte er: »Wenn ich aus irgendwelchen Gründen nicht zurückkehren sollte…«
»Sprich sowas nicht einmal aus, Thu-Kimnibol!«
»Hresh gibt mir keinerlei Garantien. Und man muß derartige Eventualitäten bedenken. Falls ich also nicht zurückkomme, Liebste – wenn meine Seele nicht nach einiger Zeit in meinen Leib zurückfindet, sagen wir innerhalb von zwei vollen Tagen, dann mache dich auf und begib dich zu Salaman und berichte ihm, was geschah. Ist das abgemacht? Und überantworte ihm unsere Streitmacht als alleinigem Oberbefehlshaber. Und gib ihm auch die vier Waffensysteme aus der Großwelt.«
»Salaman? Aber der ist doch ein Irrer!«
»Trotzdem aber ein sehr großer Krieger. Und
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