Der neue Frühling
Seine Augen loderten geradezu von feuriger Wut. Vor langen Jahren habe ich meinen Vater Harruel im Kampf erlebt, und der war gewiß ein schwergestörter Mann, und in ihm kochte zuweilen ganz schön heftig die Wut; aber in seinen allerübelsten Momenten noch, scheint mir, war er an jenem Tag gelassen und beinahe heiter, wenn ich ihn mit Salamans Gehabe vergleiche.« Thu-Kimnibols Sensor meldete sich zitternd. »So. Gerade jetzt habe ich ihn erneut gespürt. Er rückt näher. Na ja, vielleicht ist es wirklich am besten, wenn die Heeresgruppen wieder zusammenstoßen. Es war ja nie mein ursprünglicher Plan, getrennt zur Besetzung des Hjjk-Gebietes vorzurücken.«
»Möchtest du einen Becher Wein?« fragte Nialli.
»Ja. Ja, was für eine gute Idee.«
Die Dämmerung sank herab. Aller Wahrscheinlichkeit nach mußte Salaman mit seinen Heerscharen morgen gegen den Mittag heranrücken, da die Emanationen schon dermaßen stark waren. Der Zusammenschluß der beiden Streitmächte nach Wochen der getrennten Operationen würde wahrscheinlich nicht ohne Spannungen verlaufen. Und allein die Götter mochten wissen, zu was für einer gigantischen Höhe von Irrsinn sich der König inzwischen verstiegen hatte. Denn für Salaman (so schien es jedenfalls Thu-Kimnibol) war der gesamte Feldzug bisher eine Reise in immer tiefere Gefilde des Wahnsinns geworden.
Angefangen haben die ganzen Schwierigkeiten, dachte Thu-Kimnibol, bei der Ausarbeitung des Angriffsplanes auf Vengiboneeza. Der erste Bruch kam, als Salaman vor Wut fast geplatzt wäre, als er ihm erklärte, er könne ihm keinerlei Großweltwaffen aushändigen. Seitdem herrschte zwischen ihnen eine unverkennbare Kühle. Beide hielten sie die Fiktion aufrecht, daß Salaman Oberkommandierender der Streitkräfte und Thu-Kimnibol der Feldmarschall war, aber seit die Kampfhandlungen wirklich begonnen hatten, hatte es zwischen den beiden nicht gerade übermäßig große Herzlichkeit oder wirkliche Kooperation gegeben.
Trotzdem, bisher war alles recht gut gelaufen. Eigentlich besser, als sie hätten erhoffen dürfen.
Die Schlacht von Vengiboneeza war ein überwältigender Triumph geworden. Dort hatten die Hjjks nämlich ein obererdiges Nest errichtet, ein wackeliges absurdes Konstrukt von brüchigen grauen Röhren, die sich hundertfältig in alle Richtungen vom Hafen der alten Stadt bis zu den Vorbergen verzweigten. Salaman drang von Westen her in die Stadt ein, wobei er in der Hafengegend ein fürchterliches Feuerwerk von Explosionen und Flammen entfachte, während Thu-Kimnibols Streitkräfte verstohlen und vorsichtig im Norden und Osten über die Hänge der großen goldenbraunen Bergkette herniederstiegen. Für die Hjjks kam der doppelseitige Angriff völlig überraschend, und sie stürzten an die Hafenmolen, um zu erkunden, was da los sei, und währenddessen setzte Thu-Kimnibol von oben her zum Angriff an.
Und dann kam der Augenblick, in dem die Waffensysteme aus der Großen Welt ins Spiel kamen. Thu-Kimnibol hatte den von ihm ‚Schleife’ genannten Apparat eingesetzt und die Vorberge entlang eine undurchdringliche Barriere errichtet, um seine Stellungen gegen einen Hjjk-Angriff abzuschirmen. Dann durchkämmte er mit der ‚Feuerschnur’ die Stadt mit Flammen, bis die Brände über die höchsten Dachfirste hinausloderten und die aus Zellstoffpulpe gezogenen Wände des Hjjk-Nests Vengiboneeza sich schwärzten und auflösten. Mit dem ‚Blasenrohr’ hatte er so gewaltige Luftturbulenzen erzeugt, daß die uralten Türme der Stadt – diese wundervollen Lanzen aus Scharlachrot und Blau, glitzerndem Purpur, aus schimmerndem Gold und Mitternachtsschwarz – zerbrachen wie morsche Stecken. Und nun setzte er seine stärkste Waffe ein, den ‚Erdfresser’, und hob in der Infrastruktur der sterbenden Stadt dort unten tiefe Krater aus. Sogar die Boulevards und Avenuen rutschten in Abgründe, ganze Stadtbezirke stürzten in sich zusammen und entschwanden den Blicken, und ein gewaltiges Bahrtuch aus Aschenstaub und Rauch erhob sich und erstickte den Himmel – ganz so, als wären die Todessterne zurückgekehrt.
Selbst der Lange Winter hatte Vengiboneeza in siebenhundert mal tausend Jahren nicht zerstören können. Aber Thu-Kimnibol war dies an einem einzigen kurzen Nachmittag gelungen: Mit der Hilfe von vier kleinen Maschinen, die ein unwissender Bauer bei einem Erdrutsch an einem Berghang gefunden hatte.
Sie waren die Nacht über dageblieben, um den Brand der Stadt zu sehen. Die gesamte,
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