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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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außer mir der einzige, der uns in diesem Feldzug führen könnte. Wirst du dies getreulich tun?«
    »Wenn ich muß«, sagte Nialli leise.
    »Gut.« Thu-Kimnibol holte tief Luft und streckte Hresh sein Sensor-Organ entgegen. »Schön, Bruder, ich bin bereit, wenn du es auch bist. Gehen wir und statten der Königin einen Besuch ab.«
    Überall breitet sich Dunkel, eine gewaltige dichtschwarze See von solcher Finsternis, daß selbst die Idee von Helligkeit ausgeschlossen erscheint. Dann, plötzlich, erblüht über dem Horizont ein wildes Glühen wie von einer explodierenden Sonne. Die Schwärze zerbirst zu unendlich vielen feurigscharfen hellen Lichtpunkten, und Thu-Kimnibol fühlt, wie diese Myriaden Flammenpartikel an ihm vorüberschießen wie heiße Luftströme.
    In der vor ihm liegenden glühenden Rätselhaftigkeit kann er nun Struktur und Gestalt erkennen. Er erblickt ein Etwas, das ihm wie eine unermeßliche schimmernde Maschine erscheint, ein Ding aus wirbelnden Stangen und kreisenden Kolben, die sich fehlerlos unermüdlich, ohne je langsamer zu werden oder das Laufmuster zu ändern, bewegen. Davon aus sticht ein scharfes reinweißes Licht wie ein Krummschwert durch den Himmel.
    Das ist das Nest, denkt Thu-Kimnibol. Das Nest-der-Nester.
    Und eine Stimme, die dröhnt wie zusammenprallende Welten, spricht aus dem Zentrum dieser unvorstellbaren, nie ermüdenden Mechanik: »Warum kommst du so bald schon zu mir zurück?«
    Das muß die Königin sein.
    Die Königin-der-Königinnen, die Superkönigin.
    Er verspürt keine Furcht – nur Ehrfurcht und vielleicht, so glaubt er, so etwas wie Demut. Hreshs intime Nähe verleiht ihm bis zu einem gewissen Grade eine Selbstsicherheit, die er in sich selbst nicht mehr finden kann. Noch nie war er in seinem ganzen Leben seinem Bruder so nahe gewesen: Es fällt ihm schwer, zu bestimmen, wo seine eigene seelische Bewußtheit endet und die von Hresh beginnt.
    Sie steigen nieder oder fallen oder stürzen. Ob dies auf Befehl der großen Kreatur in der Helligkeit vor ihnen geschieht, oder ob Hresh ihre Reise noch unter Kontrolle hat, das kann Thu-Kimnibol unmöglich entscheiden. Doch als sie näher an das Nest herankommen, sieht er es deutlicher und begreift, daß es überhaupt keine Maschine ist, sondern vielmehr etwas, das aus zerkauter Zellstoffpulpe und Erde besteht, und was ihm als eine schimmernde Mechanik von perfekt koordinierten stoßenden Gestängen und pumpenden Kolben erschien, ist nichts weiter als sein persönliches Wahrnehmungsbild von der bestürzenden Geschlossenheit des hjjkischen Imperiums als solchem, in dem nicht einmal der kleinste neue Schlüpfling freien Willen, Freizügigkeit und Freiheit kennt, sondern alles nach vorbestimmtem Muster so dicht verwoben ist, daß kein Platz ist für das Unvollkommene.
    Und im Zentrum dieser Struktur liegt ein Geschöpf, wie er es sich nie hätte vorstellen können: Das riesige bewegungslose Ding ist eine Welt in sich. Dank der Hilfe des Wundersteines, den sein Bruder mit dem Sensor-Organ umschlungen hält, irgendwo tausend Meilen weit entfernt, wo sie ihre bewußtlosen Leiber zurückgelassen haben, vermag Thu-Kimnibol die riesigen Ausmaße des Fleischbehältnisses erkennen, in dem der Geist der Königin haust, und verfolgen, wie die Lebenssäfte langsam durch den gigantischen uralten Leib sickern, wie die unbegreiflichen Leibesorgane schwerfällig arbeiten.
    Das – Ding hat eine halbe Ewigkeit auf sein Kommen gewartet, fühlt Thu-Kimnibol. Und er hat sein ganzes Leben in einem Traum verbracht und nur auf diesen Augenblick der endlichen Begegnung gewartet.
    »Ihr seid zwei«, erklärt die Königin in demselben überwältigenden Tongedröhne. »Wer ist dein zweites Selbst?«
    Hresh gibt keine Antwort. Thu-Kimnibol schickt zu seinem Bruder eine Sonde hinüber, um ihn zu irgendeiner Antwort zu stupsen. Doch Hresh scheint verstummt zu sein, wirkt benommen, als habe die anstrengende Reise ihn der letzten Kraftreserven beraubt.
    Also liegt alles bei ihm. Er sagt: »Ich bin Thu-Kimnibol, Sohn des Harruel und der Minbar, von meiner Mutter Seite Bruder Hreshs, des Chronisten, den du ja bereits kennst.«
    »Ah, das ist es. Ihr habt einen gemeinsamen Ei-Produzenten, aber verschiedene Lebens-Entfacher.« Dann folgt eine lange Pause. »Und du bist derjenige, der uns vernichten und ausrotten will. Wie kommt es, daß du solchen Haß wider uns empfindest?«
    »Die Götter lenken meine Hand«, erwidert Thu-Kimnibol schlicht.
    »Die

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