Der neue Frühling
»Ich weiß, was du meinst.«
Müde schüttelte er den Kopf. »Trotzdem müssen wir Widerstand leisten. Es gibt keine Möglichkeit zu einer gütlichen Einigung mit ihnen. Wenn wir sie nicht weiter bekämpfen, werden sie uns zermalmen. Sie werden uns verschlucken. Aber wenn wir den Krieg fortsetzen und falls wir ihn gewinnen, verstoßen wir dann nicht gegen den Willen der Götter? Immerhin haben die Götter sie durch den Langen Winter geleitet und beschützt. Und vielleicht haben die Götter ihnen bestimmt, das Erbe der Welt anzutreten.« Er blickte sie verwirrt an. »Ich rede Widersprüchliches. Ergibt irgendwas davon einen Sinn?«
»Die Götter haben aber auch uns über den Langen Winter hinweggerettet, Thu-Kimnibol. Vielleicht erkennen sie jetzt, daß die Hjjks ein Irrtum waren, ein fehlgeschlagenes Experiment. Also wurden wir auf den Plan geschickt, um sie zu besiegen und ihre Stelle einzunehmen.«
Überrascht sah er sie an. »Glaubst du das wirklich? Könnte das möglich sein?«
»Du hast sie als erhabene, überlegene Geschöpfe bezeichnet. Aber du hast doch selbst gesehen, wie beschränkt sie in Wirklichkeit sind, wie inflexibel, wie geisteseng. Das hast du doch? Nicht wahr? Das nämlich wollte Hresh dir demonstrieren: Daß die Hjjks nicht wirklich etwas schaffen wollen, ja daß sie dazu nicht einmal fähig sind. Sie wollen nur eins, sich vermehren und neue Nester bauen. Aber nichts anderes steckt dahinter, kein Ziel. Sie bemühen sich nicht, hinzuzulernen. Sie versuchen nicht, geistig zu wachsen.« Sie lachte. »Nun stell dir das mal vor. Da hab ich die Kühnheit besessen und mich vor dem ganzen Präsidium aufgebaut und euch erklärt, wir müßten über die Hjjks denken, als wären sie menschlich. Aber das sind sie eben nicht. Ich habe mich geirrt, und ihr alle hattet recht, sogar Husathirn Mueri. Sie sind nichts weiter als Ungeziefer. Gräßliche übergroße Wanzen. Alles, was ich über sie glaubte, hatten sie mir selber in den Kopf gestopft.«
»Du darfst sie nicht unterschätzen, Nialli«, sagte Thu-Kimnibol. »Vielleicht übertreibst du jetzt zu stark in der anderen Richtung.« Hresh gab einen leisen Seufzer von sich. Thu-Kimnibol wandte sich um und betrachtete ihn. Doch Hresh schien zu schlafen, und sein Atem ging sanft und ruhig. Er sprach weiter zu Nialli. »Es gibt da noch etwas, das die Königin zu mir sagte, und das erscheint mir noch eigenartiger und fremder als alles andere. Hat man dich in deiner Zeit bei ihnen jemals gelehrt, daß die Hjjks glauben, sie seien eine Schöpfung der Menschlichen?«
Und nun starrte sie ihrerseits ihn bestürzt an. »Nein. Nein, niemals!«
»Was meinst du, könnte es wahr sein?«
»Warum nicht? Die Menschen waren doch beinahe gottähnlich. Vielleicht waren sie sogar die Götter.«
»Aber dann sind die Hjjks ihr auserwähltes Volk…«
»Nein«, unterbrach sie ihn. »Die Hjjks waren ein auserwähltes Volk. Auserkoren, zu überleben und den Langen Winter zu überdauern und danach die Welt in Besitz zu nehmen. Doch irgendwie haben sie es nicht recht geschafft. Also haben die Götter uns geschaffen. Oder die Menschlichen. Das ist mir egal. Als Ersatz für sie.« Ihre Augen glühten in einem Feuer, wie er es selten vorher je gesehen hatte. »Und eines Tages werden die Menschlichen zur Erde zurückkehren«, fuhr sie fort. »Dessen bin ich mir ganz sicher. Sie werden sich vergewissern wollen, was sich seit ihrem Abschied hier getan hat. Und sie werden bestimmt nicht gern sehen, daß der ganze Planet hier ein einziges gigantisches Nest geworden ist, Thu-Kimnibol. Sie haben uns zu einem bestimmten Zweck in diese Kokons gesteckt, und sie werden wissen wollen, ob wir diesem Zweck gerecht wurden. Und deshalb müssen wir weiterkämpfen, begreifst du nicht? Wir müssen unser Erbrecht gegen die Königin verteidigen und uns behaupten. Nenne sie Götter oder von mir aus die Menschen, was immer sie sein mögen, sie haben uns gemacht. Und sie erwarten das von uns.«
»Genau die Art von Gegend, wie dieses Wanzenvolk sie liebt«, brummte Salaman. »Ein totes Land, in dem überall das Gerippe durchschaut.« Der König brachte sein Xlendi zum Stehen und blickte sich nach seinen drei Söhnen um. Athimin und Biterulve ritten an seiner Seite, Chham war ein Stückchen zurückgefallen.
»Glaubst du, da draußen liegt ein Nest, Vater?« fragte Chham.
»Da bin ich aber sicher. Ich fühle seinen Druck auf meiner Seele lasten. Hier spüre ich’s. Und da. Und da.« Er berührte seine
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