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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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ganz uncharakteristische Leichtigkeit. In der Regel war sein Gemüt von düsterer Spannung bedrückt; doch an diesem Morgen fühlte er sich im Geiste frei und ungezwungen, und sein Körper war in einem Zustand ruhiger Gelassenheit. Die vergangene Nacht hatte er mit Vladirilka verbracht, seiner vierten und jüngsten Gemahlin. Ihr Duft hing ihm noch im Pelz, und ihre Wärme durchströmte noch immer beglückend sein Fleisch.
    Er war gewiß, er hatte bei der Kopulation der verflossenen Nacht einen Sohn mit ihr gezeugt. Das weiß man immer, glaubte Salaman fest, wenn man einen Sohn macht; und dies war gewiß eine sohnesbringende Vereinigung gewesen.
    An Töchtern hatte er dermaßen viele, daß es ihm Mühe bereitete, sich alle ihre Namen zu merken, und sein Bedarf an ihnen war wirklich gedeckt. Die Weiber hatten damals im Kokon die Herrschaft ausgeübt, und ein Weib regierte immer noch in Dawinno, soweit er wußte. Doch Yissou war von allem Anfang an eine Stadt und Stätte für Männer gewesen. Er, Salaman, hatte der alten Koshmar Respekt gezollt und stets gut von Taniane gedacht, doch hier, in seiner Stadt, würde es keine weiblichen Könige geben.
    Söhne wollte er haben, zahlreiche, in solcher Menge, daß die Erbfolge gesichert war. Ein König, glaubte er, kann nie genug Söhne haben. Eine Dynastie, das ist wie der Bau einer Befestigungsmauer: Man muß über das unmittelbar Nächstliegende hinausblicken und sich auf die schlimmste Eventualität einstellen. Darum hatte Salaman bisher acht Söhne gezeugt, und in der letzten Nacht, wie er hoffte, einen neunten. War es nicht Chham, der ihm auf dem Thron nachfolgen würde, dann würde es eben Athimin sein; und wenn nicht Athimin, dann Pukor oder Ganthiav, Bruikkos oder einer der noch jüngeren Prinzen. Vielleicht würde gar der, den er in eben dieser Nacht in Vladirilkas Schoß gepflanzt hatte, der nächste König sein. Oder ein künftiger noch zu zeugender Knabe von einer anderen noch zu erwählenden Konkubine. Nur einer Sache war Salaman sich gewiß: Er würde die Herrschaft nicht Biterulve übertragen. Dieser Junge war zu empfindsam, zu vielschichtig in seinem Wesen. Er soll Berater des Königs sein, dachte Salaman. Und einer wie Chham oder Athimin soll die unangenehmen Entscheidungen treffen, welche die Herrschaft mit sich bringt.
    Aber es blieb ja noch genügend Zeit, die Thronfolge zu regeln. Salaman war gerade in sein sechzigstes Jahr gekommen. Er wußte, manche hielten ihn für alt, doch er war da ganz anderer Meinung. Er sah sich noch in voller starker Mannesblüte. Und vermutlich, dachte er, wird mir meine weiche junge Vladirilka, die jetzt süß mit meiner Glut noch in ihrem Schoße schlummert, da recht geben…
    Biterulve deutete auf den nächsten Aufgang zur Mauerkrone.
    »Gehen wir rauf, Vater?«
    »Gleich. Komm, tritt hier neben mich.« Er nahm das Bauwerk gern zuerst aus der Tiefe in sich auf. Um es zu begutachten. Um seine Wucht in seine zagende Seele bestärkend eindringen zu lassen.
    Er schaute also an der Mauer empor und an ihr entlang, soweit sein Blick reichte. Das hatte er schon Zehntausende Male getan, aber er wurde den Anblick niemals leid.
    Die gewaltige Befestigungsmauer um Yissou war aus zyklopischen harten schwarzen Steinquadern errichtet, deren jeder eine halbe Mannslänge hoch, doppelt so lang und über eine Armeslänge tief war. Seit Dekaden schon arbeiteten Trupps von Steinmetzmeistern vom frühen Morgen bis in die Dämmerung, an jedem Tag das Jahr über langsam und unermüdlich in einem Steinbruch in einer steilen Bergschlucht westlich der Stadt und schlugen die Blöcke maß- und kantengenau zu und glätteten sie. Klaglos schleppten die Zinnobärgespanne die schweren Blöcke über das wilde Hochplateau an den Rand des weiten flachen Kraters, in dessen Schutz die Stadt lag. Bei seinem Eintreffen am vorbestimmten Platz an der ständig wachsenden Mauer hievten Salamans geschickte Mauerbauer ihn mittels raffinierter hölzerner Maschinen in Halterungen aus festgedrehten Weidenruten in die Höhe und setzten ihn kühn an die rechte Stelle.
    Der König wies mit dem Kinn zur Mauer. »An dieser Stelle ist vor fünf Jahren ein Quader herabgestürzt. Das war der einzige derartige Unfall, den es je gab.«
    In seinem Herzen regte sich Bitterkeit, als er daran dachte, wie dies stets geschah, wenn er hier weilte. Drei Werktätige waren von dem stürzenden Stein zerschmettert worden, zwei weitere auf Salamans Befehl hingerichtet, weil sie ihn hatten

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