Der neue Frühling
den Weg stellen.«
»Aber bitte auch Friit, um mich zu heilen, falls die Feinde schneller waren«, sagte Thu-Kimnibol grinsend.
»Ja, gewiß doch, Friit, gewiß…« Lachend setzte sie die Steinfigurinen auf den Tisch. »Und dann die Göttin Mueri, damit sie dich tröste, wenn dich in den Nordlanden das Heimweh überkommt. Und Emakkis, um deine Diät zu garantieren. Wir werden alle Großen Fünf für dich um ihre Huld anflehen, Thu-Kimnibol. Das ist immer das Gescheiteste.« Ihre Äuglein blitzten. »Sollte ich vielleicht auch Nakhaba für dich anrufen?«
»Boldirinthe, bin ich ein Beng?«
»Aber ihr Gott hat große Macht. Und wir behandeln ihn wie einen von den unsrigen… heutzutage, seit wir ein Stamm geworden sind.«
»Ich werde meine Reise ohne Nakhabas Beistand machen«, sagte Thu-Kimnibol unerschüttert.
»Wie du es wünschst. Wie du es wünschst.«
Und Boldirinthe entzündete ihre Kerzen und streute Weihrauch. Die Hände zitterten dabei ein wenig. Das Alter machte ihr in letzter Zeit mehr und mehr zu schaffen. Thu-Kimnibol überlegte, ob sie vielleicht krank war. So eine nette alte Frau, dachte er. Vielleicht ein paar boshafte Zahnstummelchen da und dort, aber keine echte Bösartigkeit, nichts wirklich Übles. Jedermann liebte sie. Er selbst war nicht alt genug, sich noch deutlich an Torlyri zu erinnern, die vor Boldirinthe die Opferfrau gewesen war. Aber jene, die sich erinnern konnten, sagten, Boldirinthe sei eine gute Nachfolgerin und so herzlich und freundlich wie Torlyri zu ihrer Zeit. Und das war ein gewaltiges Lob, denn selbst heute noch, nach so vielen Jahren, sprachen die älteren Leute noch mit großer Liebe von Torlyri. Sie war die Opferfrau des VOLKS in den Tagen Koshmars gewesen, zunächst im Kokon, dann nach dem Auszug, in Vengiboneeza. Aber dann hatte das VOLK Vengiboneeza wieder verlassen und war zur zweiten Wanderung aufgebrochen, und Torlyri war zurückgeblieben, denn sie war in Liebe entbrannt zu dem Beng-Krieger Trei Husathirn, und den hatte sie nicht verlassen wollen. Und damals war Boldirinthe als Opferfrau an Torlyris Stelle getreten.
Ziemlich schwer zu verstehen, dachte Thu-Kimnibol, wie ein so allseits geliebtes Weib wie Torlyri einen Sohn wie Husathirn Mueri gebären konnte, diese giftige, wendegeschickte Schlange. Nun, womöglich war es das Beng-Erbe, das Husathirn Mueri zu dem gemacht hatte, was er war.
Boldirinthe fragte: »Wie lang, glaubst du, wird deine Fahrt dauern?«
»Bis ich dort bin. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
»Ich erinnere mich an Yissou. Damals bestand die Stadt aus sieben erbärmlichen hölzernen Schuppen, und die waren zudem noch recht unbeholfen zusammengenagelt, sogar der, den sie als Königlichen Palast bezeichneten.«
»Die Stadt ist inzwischen etwas größer geworden«, sagte Thu-Kimnibol.
»Ja ja, das wird schon so sein. Aber ich erinnere mich eben daran, wie es damals war – beinahe nicht vorhanden. Weißt du, ich war nämlich einmal dort. Auf dem Marsch von Vengiboneeza hierher sind wir dort vorbeigekommen. Und dich, dich hab ich dort auch gesehen, damals. Du warst noch ein ganz kleiner Junge. Na, also nicht ganz so klein, wenn ich bei der Wahrheit bleiben muß. Du warst schon damals überentwickelt für dein Alter und sehr kampfeslustig. Du hast in einer gewaltigen Schlacht, die damals in Yissou stattfand, sogar schon Hjjks getötet.«
»Ja, habe ich«, sagte Thu-Kimnibol nachsichtig. »Ich erinnere mich auch noch daran. Sollte ich mich jetzt nicht neben dich knien, Mutter Boldirinthe?«
Sie warf ihm einen schlauen Blick zu. »Wieso schickt Taniane dich als Gesandten?«
»Wieso sollte sie nicht?«
»Es ist irgendwie seltsam. Wie ich gehört habe, gibt es zwischen dir und König Salaman böses Blut. Oder ist es nicht wahr, daß du sein Rivale warst, als es um den Thron von Yissou ging? Und jetzt wirst du als Botschafter zu ihm zurückkommen, aber ich frage mich, ob er dir vertrauen wird. Muß er nicht glauben, daß du ihn immer noch verdrängen willst?«
»Die ganze Sache war vor so langer Zeit«, sagte Thu-Kimnibol. »Ich habe wirklich keine Absichten auf seinen Thron. Und das weiß er. Außerdem, ich könnte ihm den Thron gar nicht nehmen, selbst wenn ich wollte. Nein, Taniane entsendet mich, weil ich Salaman besser kenne als sonst einer, ausgenommen vielleicht Hresh und Taniane selbst, und die können ja kaum selbst hinfahren. Also, erbete mir eine sichere Reise, Mutter-Boldirinthe, und laß uns gemeinsam für meine Gefährtin
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