Der neue Frühling
Thu-Kimnibol.«
»Ja, so ist es wohl.« Er kniete nieder, schaufelte mit der Hand ein Häufchen Erde auf und warf es in den Wind. »Hier ist ein elender und trauriger Ort. Für uns gibt es hier nichts zu finden. Wir vergeuden nur unsere Zeit, wenn wir hier verweilen.«
Und er befahl den Aufbruch der Karawane. Er stierte trüb voraus über das dürre fahlgelbe Land und spürte, wie er tiefer und tiefer in eine für ihn wesensfremde düster-gereizte Stimmung versank.
Seit seiner Kindheit wußte er, daß es vor der gegenwärtigen Welt eine andere gegeben hatte, in der die ganze Erde ein leuchtendes Paradies gewesen war und in der sechs sehr unterschiedliche Rassen prächtig und im Überfluß zusammen hier lebten. Groß-Vengiboneeza war damals ihre Hauptstadt, so stand es in den Chroniken. Er hatte es nie selber gesehen, doch sein Bruder Hresh hatte ihm davon erzählt. Und in Thu-Kimnibols Denken waren all die wundersamen Beschreibungen seitdem unauslöschlich verhaftet geblieben: die himmelhohen Türme, türkisblau und rosa und schillerndviolett, die auf irgendeine Weise aus der fernen Antike überdauert hatten, und alle die wundersamen Maschinen, die man in ihnen noch finden konnte… Was für Wunder, was für erstaunliche Dinge! In jenen uralten Tagen, da die Welt im Besitz der langsamen, schwerfälligen Reptilienrasse der Leuchtend-Saphiräugigen war, deren Hirn von solch starker Intelligenz glühte, war das VOLK – oder die Geschöpfe, aus denen eines Tages das VOLK werden sollte, nichts weiter gewesen als ausgelassen tobende Dschungeltiere. Und Vengiboneeza war der Nabel und die Nabe des Kosmos, und Reisende aus vielen Ländern kamen zu Besuch, sogar – auf zauberische Weise – Gäste von anderen Sternen.
Damals lebten auch die zarten Vegetabilischen, Geschöpfe mit Petalgesichtern und harten knotigen Stengeln. Und die braunpelzigen Seelords, die in den Meeren lebten, aber mit ihren Flippergliedmaßen an Land kommen und in klug-konstruierten Karossen umherfahren konnten. Und die Mechanischen mit ihren Kuppelköpfen, eine künstliche Spezies, aber doch eben mehr als bloße Maschinen.
Und die Hjjks, natürlich; auch sie hatten zur Großen Welt gehört, jedenfalls ließ sich ihre Genealogie soweit zurückverfolgen. Und schließlich die Menschlichen – dieses große geheimnisvolle Rätsel. Eine zahlenmäßig karge, seltene Spezies von königlich-anmaßenden Geschöpfen, die der Gestalt nach den Angehörigen des VOLKES nicht unähnlich waren, aber eben haarlos und ohne Sensororgan. Sie waren die Beherrscher der Welt gewesen, bevor die Saphiräugigen zu Macht und Größe gelangten, so sagten die Chroniken. Und hatten sich dann entschieden, diesen die ganze Macht und Herrschaft zu überantworten.
Das fiel Thu-Kimnibol nicht leicht, das zu verstehen: dieses Aufgeben der Macht. Doch noch seltsamer erschien ihm dieses passive Verhalten, mit dem die gesamte Große Welt so einfach ihren Tod hingenommen hatte, als offenkundig wurde, daß diese Todessterne vom Himmel herabstürzen und so schreckliche Wolken von Staub und Rauch emporwirbeln würden, daß das Licht der Sonne nicht mehr bis auf die Erde herabströmen konnte und daß für eine nichtkalkulierbare Folge von Jahrhunderten alle Wärme dahin sein würde.
Hresh behauptete, die Große Welt hätte seit mindestens einer Million Jahren gewußt, daß diese Todessterne kommen würden. Und trotzdem hatten die Leute damals es vorgezogen, nichts dagegen zu tun…
Thu-Kimnibol machte die Vorstellung rasend, daß da eine ganze Große Welt bereitwillig und ohne Gegenwehr in den Tod ging. Es war vernunftwidrig, es war unbegreiflich! Beim bloßen Gedanken daran begannen sich seine Muskeln zu verhärten, und seine Seele wand sich in Qual.
Wenn die schon dermaßen groß waren, sagte er zu sich, wieso haben sie dann nicht die Todessterne im Himmel zertrümmert, bevor die runterknallten? Warum haben sie nicht sowas wie ein Fangnetz über das Firmament gespannt? Anstatt gar nichts zu tun und den Tod aus den Sternen einfach hinzunehmen?
Die Saphiraugen und die Vegetabilischen waren in ihren großen Städten schlicht erfroren; wahrscheinlich auch die Seelords, als die Ozeane zu Eis wurden; die Mechanischen verrosteten und verfielen einfach; die Menschlichen waren verschwunden, keiner wußte, wohin; allerdings hatten sie sich vorher noch die Mühe gemacht, einfachere Kreaturen wie etwa die vom VOLK vorher noch bei deren Rasserettungsversuch zu unterstützen, indem sie sie in die
Weitere Kostenlose Bücher