Der neue Frühling
Kokons führten, in denen sie geschützt überdauern und das Ende des Langen Winters abwarten konnten.
Einzig die Hjjks, denen Kälte nichts ausmachte und die nahezu sämtlichen sonstiger Unbill gleichfalls überheblich trotzten, hatten die Katastrophe überstanden. Aber sogar sie waren von dem Gipfel an Größe, den sie in der früheren Ära erlangt hatten, ziemlich weit wieder abgerutscht.
Simthala Honginda, der neben Thu-Kimnibol an der Tete der Karawane fuhr, fiel nach einiger Zeit die gedrückte Stimmung seines Chefs auf.
»Was bedrückt dich, Prinz?«
Thu-Kimnibol wies mit der Hand auf die Karstebene. »Das da, wo wir herkommen.«
»Es ist doch bloß ein Ruinenfeld. Warum beunruhigen dich denn Trümmer dermaßen?«
»Mich beunruhigt die Große Welt. Und ihr Untergang. Daß die so gar nichts getan haben, damals, um sich zu schützen.«
»Vielleicht hatten sie keine andere Wahl.«
»Hresh glaubt aber, sie hätten die Wahl gehabt. Sie hätten den Sturz der Todessterne verhindern können, wenn sie gewollt hätten. Hresh sagt, es gibt eine Erklärung dafür, warum sie das nicht gewollt haben; aber er will nicht sagen, was für eine. Du mußt es selber herausfinden, sagt Hresh. Du würdest es nicht verstehen, sagt er, wenn ich es dir einfach sagen würde.«
»Stimmt. Sowas hab ich auch von ihm gehört, als das Thema mal aufkam.«
»Aber, wenn er nicht die Wahrheit sagt? Wenn er selbst ganz einfach die Wahrheit nicht weiß?«
Simthala Honginda lachte. »Ich glaube, es gibt nur ganz wenig, was Hresh nicht weiß. Aber ich hab es eigentlich nie erlebt, daß Hresh, wenn er etwas nicht weiß, das nicht zugibt, oder so tut, als wüßte er es. Und ich habe auch nie erlebt, daß er gelogen hätte. Aber du kennst ihn natürlich viel besser als ich.«
»Nein, ein Lügner ist er nicht«, sagte Thu-Kimnibol. »Und du hast recht, er würde immer klar und unzweideutig sagen, daß er etwas nicht weiß. Also muß es eine Antwort auf die Frage geben – und Hresh hat sie. Und es dürfte ja nicht gar zu schwierig sein, sie zu finden, wenn wir nur ein wenig nachdenken.« Er schwieg einige Zeit und knetete einen verspannten Muskel an seinem Hals. Dann wandte er sich wieder Simthala Honginda zu und lächelte. »Ehrlich, ich glaube, ich habe die Antwort selber schon gefunden.«
»Wirklich? – Und wie lautet sie?«
»Auf einmal ist mir das alles ganz klar. Man braucht nicht mal ein Zehntel so gescheit zu sein wie Hresh… Willst du wirklich wissen, warum die Saphiräugigen es zugelassen haben, ohne was dagegen zu tun, daß sie ausgestorben sind? Weil sie eine Rasse von Trotteln waren. Dümmliche Idioten, das waren sie, und sie hatten einfach nicht genug Hirn, um sich an einen Rettungsversuch ihrer Art zu wagen. Verstehst du? So einfach war die Sache, mein Freund!«
Curabayn Bangkea saß an seinem Schreibtisch im Hauptquartier der Stadtwache und blätterte scheinbar geschäftig in Aktenordnern, als überraschend und unangemeldet Nialli Apuilana eintrat. Überrascht und von ihrem Anblick bestürzt, blickte er auf. Und als sein Blick über ihre hohe, schlanke Gestalt glitt – so weich war sie und dabei von solch königlicher Haltung –, blühten in seinem Herzen sofort üppige hocherregte Phantasien auf. Es hatte ihn stets nach ihr gelüstet, doch er wußte, daß er eben nur einer von vielen war, denen das Maul wässerte.
Während er sie jetzt ansah, dachte er: Sie ist so scheu wie ein schreckhaftes Xlendi. Und sie flieht jeden, der sie einzufangen versucht. Dabei fehlt ihr doch bloß die richtige feste Hand, damit sie richtig spurt. Und warum sollte das nicht meine Hand sein?
Er war sich natürlich völlig darüber im klaren, wie absurd seine Lustvorstellungen waren. Die Chance, daß sie hierher, in seine Amtsstube, kommen könnte, sich dem Hauptmann der Stadtwache zu Liebesdiensten anbieten würde, war nun wahrhaftig äußerst gering. Und wenn er daran je Zweifel gehegt hätte, so brauchte er ihr nur jetzt ins Gesicht zu blicken. Ihr Ausdruck war völlig kühl und geschäftsmäßig distanziert.
Er sprang hastig auf. »Ach, Edle, was verschafft mir dieses unerwartete Vergnügen?«
»Ihr haltet Kundalimon quasi in Hausarrest fest. Und ich frage, warum, Curabayn Bangkea?«
»Aha. Er bereitet dir Kummer?«
»Es bereitet ihm Kummer… In dieser Stadt ist er geboren, sie ist seine Heimat… Also, warum soll er wie ein Gefangener behandelt werden?«
»Er kam von den Hjjks zu uns, Edle.«
»Ja. Als Gesandter. Und demzufolge
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