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Der neue Frühling

Der neue Frühling

Titel: Der neue Frühling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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verblüfft an.
    »Ja! Sag schon!« riefen die Kinder. »Bist du gekommen, um uns zu den Hjjks mitzunehmen?«
    »Würdet ihr denn gern dahingehen?«
    »Nein!« Sie schrien es so laut, daß ihm die Ohren klangen. »Bring uns nicht weg! Bitte nicht!«
    »Ich bin mitgenommen worden. Und ihr seht doch, daß mir dabei nichts Schlimmes passiert ist.«
    »Aber die Hjjks, die sind doch Monster. Scheußliche gefährliche Ungeheuer! Scheußliche riesige Ungeziefer, das isses, was die sind!«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wahr. Ihr versteht das nicht, weil ihr sie nicht kennt. Keiner hier kann das. Sie sind voller Liebe. Wenn ihr doch nur wissen könntet. Wenn ihr begreifen, fühlen könntet, was NESTgebundenheit ist, was die LIEBE der Königin bedeutet.«
    »Der redet, als wär er verrückt«, sagte ein Junge. »Was soll das überhaupt?«
    »Pscht!«
    »Kommt«, sagte Kundalimon. »Setzt euch her zu mir in diesem Baumgarten. Es gibt so vieles, was ich euch kundtun möchte, damit ihr wißt. Aber laßt mich euch zuerst sagen, wie es im NEST wirklich ist…«
    Von der Stadt Yissou seiner Jugend war nichts mehr übrig, woran Thu-Kimnibol sich hätte erinnern können. Wie die ersten primitiven Holzunterstände von Harruels Erstgründung Yissous weggefegt worden waren, um den frühen Steinbauten der Salaman-Stadt Platz zu machen, war inzwischen auch jegliche Spur dieser zweiten Stadtgründung verschwunden. Eine neuere, eine mächtigere Baustruktur war dem übergestülpt worden und hatte das Altvertraute ausgelöscht… Und es war nichts mehr, nicht die kleinste Spur, von den Palästen und Höfen und Häusern und allem anderen übrig.
    Salaman sagte: »Das gefällt dir, eh? Sieht aus wie eine richtige große Stadt, was?«
    »Es sieht überhaupt ganz anders aus, als ich erwartet hätte.«
    »Sprich lauter, lauter!« sagte Salaman scharf. »Ich kann die Hälfte von dem nicht hören, was du sagst.«
    »Bitte tausendmal um Vergebung«, sagte Thu-Kimnibol mit doppelt so lauter Stimme. »Ist es so besser?«
    »Du brauchst nicht zu brüllen. Mit meinen Ohren ist alles in Ordnung. Es sind bloß diese verfluchten Bengwörter, die du dauernd benutzt. Du redest mit ‘nem Benghelm vorm Maul. Wie soll man da was Vernünftiges verstehen? Na ja, wenn ich dauernd mit den Bengs als Schoßhündchen leben würde, so wie ihr Leute…«
    »Wir sind jetzt ein Volk«, sagte Thu-Kimnibol.
    »Ach ja? Wirklich? Seid ihr das? Schön, sprich aber trotzdem nicht so viel bengisch, wenn du willst, daß ich verstehe, was du sagst. Wir sind hier konservativ, weißt du. Wir reden noch in der reinen Sprache, der unverfälschten Zunge Koshmars und Torlyris und Thaggorans. Du erinnerst dich an Torlyri? Und an Thaggoran, he? Aber nein, wie könntest du! Der war ja der Chronist vor Hresh. Die Rattenwölfe haben ihn zerfleischt, gleich nach dem Großen Auszug, damals, als wir die Ebene durchzogen. Da warst du ja noch nicht einmal geboren. Es hätte mir klar sein müssen, daß du dich an gar nichts von alledem erinnern kannst. Ich hätte bedenken müssen, daß ich ein vergeßlicher alter Kracher mit Gedächtnisschwund geworden bin. Und sehr zänkisch, Thu-Kimnibol. Wirklich, ausgesprochen giftig!«
    Salaman grinste entwaffnend, wie um die eigenen Worte zu entkräften. Doch es war nicht zu überhören, daß er die Wahrheit sprach. Er war giftig und zänkisch geworden, reizbar und scharfzüngig.
    Die Zeit hatte Salaman verändert, genau wie seine Stadt. Thu-Kimnibol erinnerte sich an den Salaman der frühen Tage. Damals war sein Verstand geschmeidig und einfallsreich gewesen, der Mann selbst ein kluger und schlauer Planer, intelligent, vorausschauend, eine geborene Führernatur, und im Grunde ein sehr angenehmer Kerl. Dann jedoch war diese Veränderung in ihm eingetreten, der neue Salaman begann sich zu zeigen: düsterer, verdrießlich und verworren im Herzen, ein schwieriger und argwöhnischer Mann. Und nun, zwanzig Jahre später, war dieser Entwicklungsprozeß weit fortgeschritten. Der König wirkte frostig und grämlich, wie gepackt von zehrendem Unwohlsein, oder vielleicht aus seinem Innern heraus befleckt von der absoluten Macht, die er hier an sich gerissen hatte. Man sah das in seinem Gesicht, das maskenhaft war, mit eingefallenen Wangen und hohlen Schläfen, und an seiner angespannten wachsamen Haltung. Sein Fell war völlig altersweiß geworden. Um ihn hing ein bitterkalter winterlicher Hauch.
    Auch seine Schöpfung, die Stadt, war so. Es gab hier keine

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