Der neue Frühling
du wirklich statt meiner König werden wollen?«
»Niemals! Ich verlangte nur die Ehren, die mir als Harruals Sohn gebührten.«
»Mir hat man gesagt, du wolltest mich stürzen.«
»Wer sagte das?«
»Was spielt das für eine Rolle? Sie sind alle längst tot und vermodert. Ach ja, das war Bruikkos. Erinnerst du dich noch an den? Und Konya.«
»Ach ja. Die begannen mich zu hassen, als ich volljährig wurde, weil mein Rang höher war als der ihre. Aber was hatten die eigentlich erwartet? Sie waren einfache Soldaten, ich der Sohn eines Königs.«
»Und Minbain«, sprach Salaman weiter.
Thu-Kimnibol mußte blinzeln. »Meine Mutter?«
»Aber ja. Sie kam zu mir und sagte: Thu-Kimnibol treibt es um. Thu-Kimnibol gelüstet es nach Macht. Sie fürchtete, du könntest was Törichtes anstellen, so daß ich dich hinrichten lassen müßte, und das wäre ihr natürlich ein gewaltiger Kummer gewesen. Sie sagte zu mir: ‚Sprich mit ihm, Salaman, erleichtere seine Seele, verleihe ihm wenigstens den Schein dessen, wonach ihn verlangt, damit er sich nicht selber Schaden zufügt.’«
Und wieder lächelte der König.
Thu-Kimnibol fragte sich, wieviel Wahrheit an dem Ganzen war und was einfach nur düstrer verquerer Spaß. Gewiß, es war durchaus plausibel, daß Minbain besorgt war, ihr Sohn könnte sich lebensgefährlich überheben, und darum Schritte unternommen hatte, um schlimmes Unheil abzuwenden. Aber eigentlich entsprach das ganz und gar nicht ihrem Wesen. Sie hätte gewiß zuerst mit ihrem Sohn selbst gesprochen. Nun ja, leider konnte man sie ja nicht mehr fragen.
»Ich hätte nie auch nur daran gedacht, dir den Thron streitig zu machen, Salaman. Bitte, glaub mir das. Ich habe dir einen Eid geschworen – wieso sollte ich ihn brechen? Außerdem wußte ich doch recht gut, daß ich viel zu jung und hitzköpfig war, um König spielen zu können. Und außerdem, du warst doch viel zu sicher etabliert.«
»Ja, das glaub ich dir.«
»Wenn du mir die mir gebührenden Ehrentitel und Privilegien gegeben hättest, die ich haben wollte, es hätte zwischen uns nie irgendwelche Probleme gegeben. Ich sag dir das ganz ehrlich und weil es wahr ist, Salaman.«
»Ja«, sagte der König. Plötzlich klang seine Stimme ganz anders, und alle Ranküne und Schärfe war aus ihr verschwunden. »Ja, es war ein Fehler, daß ich dich so behandelte, wie ich es tat.«
Thu-Kimnibol war sofort auf der Hut. »Du redest im Ernst?«
»Ich rede immer im Ernst, Thu-Kimnibol.«
»Ja, das mag stimmen. Aber gestehen Könige jemals ihre Fehler ein?«
»Der hier tut es. Manchmal. Nicht besonders oft, aber manchmal doch. Und hier und jetzt ist so ein Anlaß…« Salaman erhob sich, reckte sich und lachte. »Ich hatte nur vor, dich auszureizen, dich an dein Limit zu treiben – dich aus Yissou zu vertreiben, ich fand einfach, du warst zu groß für diese Stadt, ein zu potenter Rivale, der im Laufe der Jahre nur noch stärker werden würde. Das war meine Fehleinschätzung. Ich hätte dich favorisieren müssen, dich mit Ehren überhäufen, um dich so zu entwaffnen. Und deine Stärke hätte ich dann hier nutzbringend einsetzen müssen. Das habe ich später begriffen. Natürlich zu spät. Nun, lieber Cousin, du bist hier erneut herzlich willkommen!« Und dann tauchte im Blick des Königs ein seltsamer Ausdruck auf, eine Mischung aus Belustigung und Argwohn, und er fragte: »Du bist doch nicht etwa zurückgekommen, weil du mir schließlich doch noch meinen Thron rauben willst, oder?«
Thu-Kimnibol beantwortete das mit einem eisigen Blick. Doch es gelang ihm dann doch, so etwas wie ein Kichern und ein bläßliches Grinsen zu produzieren.
Salaman stieß ihm die Hand entgegen. »Geliebter alter Freund! Nie hätte ich dich von meiner Brust vertreiben dürfen! Es erfreut mich höchlich, dich wieder bei mir zu haben… sei es auch nur kurz.« Er gähnte. »Wollen wir uns nun vielleicht doch zur Ruhe begeben?«
»Der Gedanke ist verführerisch.«
Der König ließ den Blick über die verstreuten erschöpften Tänzer schweifen, die sich bisher nicht bewegt hatten.
»Möchtest du gern sowas in deinem Bett haben, um dich zu wärmen?«
Auch dies kam überraschend. Die Erinnerung an Naarinta, die kaum ein paar Wochen tot war, tauchte in ihm auf. Andererseits wäre es grob unhöflich, Salamans gastliches Angebot zurückzuweisen. Und was bedeutete es denn auch schon, ein Kopulationsvorgang mehr oder weniger, und noch dazu so weit von zu Hause weg? Er war müde. Er war
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