Der neue Frühling
breiten sonnigen Prachtstraßen, keine farbenfroh gekachelten Türme vor einem blauen Himmel, keine üppig begrünten Parks und Gärten, wie Thu-Kimnibol sie Tag um Tag in Dawinno sah. Die Stadt Yissou – eingepfercht in ihren Kraterwulst und den titanischen Wall aus schweren schwarzen Steinquadern – war ein bedrückend enges trostloses Gewirr von schmalen Gäßchen mit niederen dickwandigen Steinbauten mit bloßen Schlitzen als Fenster. Das Ganze sah eher wie eine Festung aus als wie eine Stadt.
Thu-Kimnibol fragte sich: War es dies, was meinem Vater vorschwebte, als wir aus Vengiboneeza auszogen, um uns eine eigene Stadt zu erbauen? Dieses düstere, geduckte, ungemütliche – Kaff?
Im Siegestaumel nach der gewonnenen Schlacht gegen die Hjjks, nach jenem betrüblichen Tag, an dem König Harruel im Kampfe gegen die Insektenhorden gefallen war, hatte Salaman im Freudenüberschwang seines frischen Königtums gesagt: »Wir werden diese Stadt Harruel nennen, um ihn zu ehren, der vor mir König war.« Später jedoch – auf Verlangen des Volkes, behauptete Salaman, das angeblich lieber dem Gott Yissou Ehre erweisen wollte, der es beschützt hatte, als dem Mann, der es hierhergeführt hatte – hatte er den ursprünglichen Namen wiedereingeführt. Na ja, dachte Thu-Kimnibol jetzt, es ist ja fast eher ein Segen. Ihm wäre es im Grunde gar nicht besonders angenehm gewesen, wenn der Name seines Vaters auf ewig mit diesem düsteren freudlosen Nest verknüpft geblieben wäre, dieser Yissou- ‚Stadt’ Salamans.
Dennoch hatte Salaman es über sich gebracht, ihn freimütig, ja sogar fröhlich zu begrüßen. Es war ihm kaum anzumerken, daß da auch nur der Hauch einer Erinnerung an die bösen Worte in ihm wach war, die einst zwischen ihnen gefallen waren. Vielmehr war er von seinem Pavillon auf der Mauerkrone herabgestiegen, als Thu-Kimnibols Wagenkarawane durch das große Stadttor zog, hatte ihn ruhig und mit überkreuzten Armen erwartet, und dann war in dem strengen starren Gesicht unerwartet ein Lächeln aufgebrochen, und er war mit ausgestreckten Armen auf ihn zugegangen und hatte nach seinen Händen gefaßt.
»Cousin! Nach sooo langen Jahren! Wie verstehen wir denn dies? Kehrst du zu uns zurück und willst endlich dein altes Leben hier wieder aufnehmen – das einen solch abrupten Abbruch erfuhr?«
»Nein, König. Ich bin ausschließlich in der Funktion eines Gesandten gekommen«, erwiderte Thu-Kimnibol ruhig. »Ich überbringe dir Botschaft von Taniane und möchte einige Dinge mit dir besprechen. Aber meine Heimat ist jetzt in Dawinno.« Selbstverständlich aber erwiderte er Salamans königliche Embrassade seinerseits, bückte sich und schloß ihn in die Arme. Das erwies sich als leidlich kompliziert, aber nur deshalb, weil Salaman eben so viel kleiner war.
Zu seiner Verblüffung blieb sein Herz nicht kalt, als er den Akt vollzog und Salaman an die Brust drückte, und die Geste war auch vollkommen aufrichtig. Also entsprach es wirklich der Wahrheit? Daß jeglicher Groll, den er gegen Salaman gehegt hatte (oder hegen zu müssen geglaubt hatte), im Laufe der Zeit zu einem Nichts verdunstet war. Die schnöden Demütigungen, die Salaman ihm zugefügt hatte, als er ein Jungmann war, zählten nicht mehr.
»Wir haben für dich unser nobelstes Gästehaus vorbereitet«, sagte Salaman. »Und sobald du dich dort eingerichtet hast – ein Festempfang, ja? Und da reden wir dann. Nein, nicht über Staatsgeschäfte, nicht so rasch. Wir plaudern einfach, du und ich, eben wie zwei gute Freunde aus alter Zeit. Na, was hältst du davon, Thu-Kimnibol?«
Das war angemessen. Ja, es ist sogar recht freundlich, dachte Thu-Kimnibol. Und er ließ sich zu seinen Gemächern führen. Esperasagiot machte sich auf die Suche nach Stallungen für die Xlendis, Dumanka kümmerte sich um die Unterbringung der Entourage des Gesandten, und Simthala Honginda begab sich zu einer Konferenz mit den Stadtbehörden, um das schon ortsübliche Protokoll bei diplomatischen Anlässen abzusprechen.
Doch erst viel später und in der düsteren riesigen steinernen Festhalle des Palastes, nach dem Festmahl und viel zuviel Wein, und nachdem Thu-Kimnibol die mitgebrachten Geschenke von Taniane an Salaman überreicht hatte – die edlen Weißgewebe und grünglasierten Porzellane –, und die prachtvoll gebundenen Chroniken, die Hresh sandte, und auch einige persönliche Gaben für den König (einige Fäßchen Wein aus seinen eigenen Weinbergen, Felle seltener Tiere
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