Der Neue Frühling
der Burgwache, kamen regelmäßige Berichte, aber ihr Inhalt wurde nur mit den erhobenen Schwestern geteilt, wenn überhaupt. Erkundigte man sich bei Aes Sedai nach den Kämpfen, brachte das einem nur den Verweis ein, sich auf seine Studien zu konzentrieren. Als wäre die größte Schlacht seit Artur Falkenflügels Tagen, die unter ihrer Nase ausgefochten wurde, nichts als eine bloße Ablenkung! Moiraine war klar, dass sie auf keine bedeutsame Weise daran beteiligt werden würde – oder auf irgendeine Weise, was das anging –, aber sie wollte es wissen, und wenn es bloß das Wissen war, was gerade geschah. Das mochte unlogisch sein, aber sie hatte ohnehin nie daran gedacht, sich der Weißen Ajah anzuschließen, sobald sie die Stola errang.
Die beiden Frauen in blauer Seide, die sich an dem kleinen Schreibtisch auf der einen Zimmerseite gegenübersaßen, ließen sich nicht anmerken, ob sie sich des Rauchs oder der Kälte bewusst waren, dabei waren sie mindestens so weit von dem Kamin entfernt wie Moiraine. Natürlich handelte es sich bei ihnen um Aes Sedai mit alterslosen Gesichtern, und was den Rauch anging, so hatten sie mit Sicherheit die Folgen von mehr Schlachten gesehen als jeder General. Sie konnten Fleisch gewordene Ruhe bleiben, wenn tausend Dörfer vor ihren Augen brannten. Niemand wurde zur Aes Sedai, ohne zu lernen, die Gefühle zu beherrschen, innerlich und äußerlich. Tamra und Gitara schienen nicht müde zu sein, obwohl sie seit Beginn der Kämpfe nur gelegentlich ein Nickerchen gemacht hatten. Darum ließen sie die ganze Nacht über Aufgenommene bereitstehen für den Fall, dass sie etwas erledigt haben oder jemanden herbeizitieren wollten. Und was die Kälte anging, Schwestern wurden weder von Kälte noch von Hitze berührt. Sie schienen sie nie wahrzunehmen. Moiraine hatte versucht herauszufinden, wie das funktionierte; früher oder später versuchte das jede Aufgenommene. Aber wie auch immer das ging, es hatte nichts mit der Einen Macht zu tun, oder sie hätte die Gewebe aus Macht gesehen oder sie zumindest gefühlt.
Tamra war mehr als eine einfache Aes Sedai, sie war die Amyrlin, die Herrscherin über alle Aes Sedai. Sie war von den Blauen erhoben worden, aber natürlich zeigte die lange Stola auf ihren Schultern die Farben aller sieben Ajahs, um zu symbolisieren, dass die Amyrlin allen und gleichzeitig keiner Ajah angehörte. In der Geschichte der Burg hatten das einige Amyrlin wörtlicher genommen als andere. Tamras Röcke wiesen Schlitze mit allen sieben Farben auf, obwohl das nicht gefordert wurde. Keine Ajah konnte sich ihretwegen bevorzugt oder benachteiligt fühlen. Und was die Welt außerhalb der Burg anging, wenn Tamra Ospenya sprach, hörten Könige und Königinnen zu, ob sie nun Aes Sedai-Beraterinnen hatten oder die Weiße Burg hassten. Sie mochten ihre Ratschläge nicht annehmen oder ihren Befehlen gehorchen, aber sie hörten zu, und das höflich. Selbst die Hochlords von Tear und der Kommandierende Lordhauptmann der Kinder des Lichts taten das. Ihr langes, kaum sichtbar mit grauen Strähnen durchsetztes Haar, das von einem juwelenbesetzten Silbernetz gehalten wurde, umrahmte ein kantiges, entschlossenes Gesicht. Für gewöhnlich setzte sie bei Herrschern ihren Willen durch, aber sie nahm ihre Macht nicht auf die leichte Schulter oder benutzte sie wahllos, weder in der Burg noch außerhalb. Tamra war fair und gerecht, was nicht immer das Gleiche war, und sie war oft sehr freundlich. Moiraine bewunderte sie sehr.
Die andere Frau, Tamras Behüterin der Chroniken, war da ganz anders. Möglicherweise die zweitmächtigste Frau in der Burg und mit Sicherheit jeder Sitzenden ebenbürtig, war Gitara Moroso immer gerecht und für gewöhnlich auch fair, aber es schien ihr nie in den Sinn zu kommen, freundlich zu sein. Außerdem war sie auffallend genug, um eine Grüne oder Gelbe Schwester zu sein. Hoch gewachsen und fast schon als üppig zu bezeichnen, trug sie eine breite Kette aus Feuertropfen, Ohrringe mit Rubinen von der Größe von Taubeneiern und drei juwelenbesetzte Ringe neben dem Großen Schlangenring. Ihr Kleid wies ein dunkleres Blau als Tamras auf und war mit Brokat besetzt, und die Behüterinnenstola auf ihren Schultern – sie war blau, da man sie ebenfalls aus den Blauen erhoben hatte – war fast breit genug, um als Schultertuch dienen zu können. Moiraine hatte gehört, dass sich Gitara noch immer als Blaue betrachtete, was schockierend war, wenn es denn der Wahrheit
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