Der Neue im Sportinternat
nicht zwischen uns! Ich bin froh, dass ich mit ihm trainieren kann.«
»Ja, ja. Zuerst krault ihr zusammen im Wasser, anschließend krault er dich und geht auf Tuchfühlung!«
»Quatsch! Ich hab nicht mal 'ne Ahnung, ob er auf Jungs steht.«
»Interessiert den nicht, wer oder was, solange er angehimmelt wird! Das ist sein Lebenselixier! Außerdem ist Sandro pausenlos unterwegs in Sachen Stimmenfang. Nach den Sommerferien will er als Schülersprecher wiedergewählt werden, verstehst du! Wenn du ihm deine Stimme gibst, darfst du ihm bestimmt einen blasen. Dafür macht er alles!«
»Hast du's schon ausprobiert, oder woher weißt du das?«
»Nee! Letztes Jahr habe ich mich auch zur Wahl gestellt. Als Schülersprecher ist man beliebt, habe ich mir gedacht. Ein totales Fiasko! Eine einzige Stimme habe ich bekommen. Meine eigene!«
»Autsch!«
»Kannst du laut sagen! Bei meiner Planung habe ich einen wichtigen Teil vergessen, ich Idiot. Nur die beliebten Jungs werden gewählt.«
»Sandro hat mich gefragt, ob ich Bock hab, mit ihm abzuhängen.«
Chocco starrt an die Zimmerdecke. Er fühlt sich in seiner Meinung bestätigt, dass Sandro sich zwischen Leon und ihn drängen will. »Du bist ein vielversprechendes Schwimmtalent. Natürlich macht er auf Freundschaft!«, bezweifelt Chocco Sandros Motive.
»Du bist ne richtige Giftnudel, so kenn ich dich ja gar nicht!« Leon setzt sich auf sein Bett und schaut zu Chocco. »Hey! Wir sind Freunde!«, versichert er. »Is' nicht unbedingt das Schlechteste, mit jemanden wie Sandro befreundet zu sein.« Mit den Fingern setzt Leon befreundet in Anführungszeichen.
»Ich bin ein bisschen länger hier und weiß, wie der Laden läuft!«
»Zick nicht rum! Wenn ich mit Sandro abhänge, lässt das Narbengesicht mich vielleicht in Ruhe«, hofft Leon. »Ich denk eben praktisch! Das erste Training war ein ganz schöner Knaller. Falko ist gefährlich! Und der Überfall auf Maurice. Wieso wird das untern Teppich gekehrt? Ich check das nicht!«
Mit dem Schokoladenriegel in der Hand setzt sich Chocco aufrecht auf den Bettrand, Leon gegenüber. »Winkler will kein Aufsehen, um einen Eklat zu vermeiden. Das kann er sich nicht leisten!«
»Was meinst du damit?« Leons Neugierde ist geweckt. Er will Details wissen!
»Vor einem Jahr gab es einen tödlichen Unfall.« Chocco stockt mit seiner Erzählung. Er kaut auf dem Schokoladenriegel, denkt zurück und erzählt weiter: »Unfall. Na ja. Die Rede war ebenso von Selbstmord! Marc war nur kurz im Internat, wenige Wochen, als es passiert ist. Er war ein vielversprechendes Talent und hatte die absolute Sonderstellung unter den Schülern. Beim Klettern in den Felsen ist er abgestürzt ... oder freiwillig in den Tod gesprungen. Uns hat man nicht viel gesagt. Verschwiegenheit war das oberste Gebot! Der Sportlehrer, er war auch der Trainer für die Schwimmer, Seifert hieß er, hat nach Marcs Tod umgehend das Internat verlassen - von heute auf morgen! Ich habe keinen guten Draht zu Marc gehabt. Winkler hatte die Hosen gestrichen voll. Ein Imageverlust wäre für Drachenfels ein wirtschaftliches Desaster gewesen. Inspektoren vom Deutschen Sportbund sind tagelang durch die Gegend geschlichen und habe jeden befragt. Soviel ich weiß, ist nichts dabei rausgekommen. Du siehst, Winkler hat seine Gründe!«
»Verstehe.« Leon denkt über Choccos Schilderungen nach und endet erneut beim Überfall auf Maurice. »Ob Falko der Täter ist? Dem Narbengesicht trau ich alles zu!«
»Weiß nicht.«
»Glaubst du, es war ein Fremder? Vielleicht ein Irrer, der draußen ums Schloss rumschleicht? Sandro meinte ...«
»Solltest du ihn noch einmal erwähnen, kotze ich!«
»Stell dich nicht so an!«
»Wirklich, ich werde kotzen!«
»Wir sind Freunde, Chocco, und wir bleiben es!«
»Schöner Freund bist du! Aber ich bin bestimmt nicht mehr der Ritter von Eon!«
»Hm?«
»Habe mich schlau gemacht! Zu deiner Information: Es gibt im Schloss eine Bibliothek! Du hältst mich auch für keinen richtigen Jungen!«
»Sag mal, was is' in der Schokolade?«
»Der Ritter von Eon ist der berühmteste Transvestit der Geschichte!«
»Boah!«
»Nix Boah! Bin ich für dich etwa ein Transvestit?« Chocco ist richtig erbost. Er wippt mit den Füßen hin und her, und seine Augen werden wässrig. »Du bist gemein! Hinter meinem Rücken hast du mich verarscht!«
»Sorry! So hab ich das nicht gemeint!« Leon steht auf, geht zu Chocco rüber und legt den Arm um ihn. »Du bist echt und
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