Der Neue im Sportinternat
ob sämtliche Lampen ausgeschaltet sind und kein Wasserhahn oder Duschkopf tropft. Schloss Drachenfels hat durchaus auch ein ökologisches Bewusstsein, zumindest wenn es nach Armin Winkler geht. Es gibt einen Dienstplan für die allabendlichen Rundgänge auf den Fluren, auf denen die Zimmer der Jungs liegen, und jeder Internatsschüler ist irgendwann an der Reihe!
Sicherlich wäre es das Klügste, sich diskret zu entfernen. Aber dann müsste Leon mit einem Fragezeichen ins Bett gehen und hundertprozentig würde er mit diesem Fragezeichen auch aufwachen. Nichts geschieht einfach so, davon ist Leons Großmutter Colette überzeugt. Es geschieht, weil es geschehen muss. Alles hat seinen Sinn, auch wenn der Sinn nicht immer sofort erkennbar oder nachzuvollziehen ist. Aber das ist etwas völlig anderes! Man wird mit der Nase auf etwas geschubst, weil es so sein soll. Leon ist bereit dafür. Die Nacht ist bisher ohnehin recht aufschlussreich verlaufen. Wieso also nicht damit in die Verlängerung gehen?! Was kann es großartig zu entdecken geben? Bestenfalls wurde das Licht einfach übersehen, schlimmstenfalls ... Ja, was eigentlich?
Leon betritt den Vorraum, der weiß gekachelt ist. Er geht einige Schritte nach vorn, stellt sich dicht an die Wand und wirft einen Blick in den Toilettenraum.
»Du kleines Miststück!«, flüstert eine Stimme heiser und erregt. »Komm schon!«
Keuchen und schweres Atmen erfüllen den Raum. Das lustvolle rhythmische Aufeinanderprallen zweier Körper ist deutlich zu hören; wenn die verschwitze Haut aneinanderreiht und durch die Berührung ein Klatschen entsteht. Leon grinst in sich hinein. Er hat zwei Ahnungslose beim Sex erwischt. Volltreffer! Nachts ist Schloss Drachenfels alles andere als verschlafen und ein Ort der Ruhe! Die heimlichen Aktivitäten unterscheiden sich unverkennbar, was die Motivation angeht. Dennoch weisen sie allesamt Gemeinsamkeiten auf. Schloss Drachenfels die Brutstätte von Sex and Crime ? Bartholomäus von Fronberg dreht sich vor Unmut im steinernen Sarkophag um! Aber wer weiß, was der alles getrieben hat!
Mit Achtsamkeit setzt Leon einen Fuß vor dem anderen. Er will unbedingt wissen, wer sich in der Dusche amüsiert!
»Ich steh auf deinen gepiercten Nippel! Mmh. Und erst mal dein großes Kaliber!«
»Hätte nicht gedacht, dass ich ausgerechnet hier so was wie dich finde! Schlampe!«
»Fick mich, du Sau!«
Klingt wie in einem Porno! Leon kann es nicht mehr erwarten, endlich die Gesichter zu sehen. Er schleicht durch den Toilettenraum, bis er die Duschen erreicht. In wenigen Sekunden wird er wissen, wer die Schlampe und wer Mistergepiercter Nippel ist! Die Spannung steigt. Leon hat fast die Tür zu den Duschkabinen erreicht. Noch drei Schritte! Das Stöhnen wird lauter. Was für eine abgefahrene Show! Leon wünschte, er hätte einen Camcorder zur Hand! Noch ein Schritt bis zur Tür. Statt einen Trommelwirbel gibt es das wilde Gestöhne eines sexuellen Höhepunktes in der Dusche. Leon kann sich nicht dagegen wehren. Der Moment hat etwas Stimmungsvolles!
Die Überraschung ist gelungen und im Grunde eigentlich wenig frappierend. Mit Lust verzerrtem Gesicht steht Maurice in einer Duschkabine, stöhnt, wirkt dabei recht affektiert wie ein Pornodarsteller, der optisch unbedingt unwiderstehlich und megaerotisch rüberkommen will, und genießt das Nachglühen. Hinter Maurice steht ein dunkelhaariger sportlicher Typ, dessen Gesicht von der Kabinenwand verdeckt wird. Er hat einen auffallend männlichen, behaarten Körper mit muskulösen Oberschenkeln und strammen Waden. Seine Identität bleibt für Leon im Verborgenen. Immerhin ist die Identität der Schlampe geklärt! Leon beobachtet das Geschehen, weil er sich dadurch weitere Informationen erhofft.
»Das nächste Mal komm ich zu dir!«, sagt Maurice zu seinem Liebhaber und spielt mit der Hand an dessen Männlichkeit.
»Du spinnst wohl! Wie oft muss ich dir noch sagen, dass das nicht geht? Wenn uns jemand erwischt! Ich hab kein Bock darauf, als Arschficker abgestempelt zu werden.«
»Aber du bist einer!«
»Halts Maul!«
»Hast du ein Problem damit?«
»Ich hab kein Problem damit! Die anderen schon.«
»Na und!«, zischt Maurice gleichgültig. »Lass sie doch. Ihr Pech!«
»Was laberst du? Für mich steht viel auf dem Spiel! Ist nicht jeder so wie du, Schätzchen. Du rennst den Schwänzen nach, als würde es kein Morgen geben!«
»Willst du dich jetzt beschweren oder was?« Maurice wird zickig. »Kannst dir
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