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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Wänden aufgehängt, so dass der Raum hell erleuchtet war.
    Um die Deckenbalken hatte man Stricke geschlungen, Dutzende Stricke, die wie Lianen in einem Wald von niedrigen Ästen auf eine hell erleuchtete Lichtung herabhingen und überreich hässliche Früchte trugen. Die Stricke waren straff gespannt. An jedem hing etwas Schweres – der Körper eines Menschen, der sich sachte um sich selbst drehte. Die Leichen wirkten wie Puppen in einer Schneiderwerkstatt, gesichtslos, darauf wartend, in einer fernen Stadt ins Schaufenster gestellt zu werden, oder wie Spielzeuge aus Stoff, die Riesenkinder abnehmen und benutzen sollten.
    Christopher spürte, wie erbarmungslose Kälte ihn durchdrang. Sein Blut erstarrte förmlich zu Eis. Der Alptraum fiel ihm ein, in dem er die Mädchen des Waisenhauses hatte hängen sehen, die Lippen geöffnet und die Augen starr auf ihn gerichtet. Aber dies war kein Traum.
    Wie benommen trat er in den Raum und ging langsam durch die Reihen, nach einem bestimmten Leichnam Ausschau haltend. In einer Ecke sah er einen Schemel, auf dendie Opfer hatten steigen müssen, als man sie aufhängte. Er stellte sich vor, wie ein geübter Fuß gegen den Schemel trat und ein Mensch in der Luft hing, das Gesicht verzerrt, als der Strick ihn würgte. Allen Männern hatte man die Hände auf dem Rücken gefesselt. Sie mussten langsam und qualvoll gestorben sein.
    Da hörte er, wie Chindamani hinter ihm einen Schreckensschrei ausstieß. Er fuhr herum, bereit, ihr zu Hilfe zu eilen. Aber es war zu spät. Tsarong Rinpoche hielt sie fest im Griff, den einen Arm um ihren Hals gelegt. Mit der freien Hand drückte er ihr eine Pistole an die Schläfe. Hinter ihm in der Tür stand eine Gruppe bewaffneter Mönche.
    »Legen Sie Ihre Waffe auf den Fußboden, Wylam-la«, sagte Tsarong Rinpoche. »Wenn nicht, dann muss sich Göttin Tara einen neuen Körper suchen.«

32
    »Man hat Sie gewarnt, nicht nach Tibet zu kommen«, sagte Tsarong Rinpoche zu Christopher. Er klang bedrückt, als empfinde er seine Haltung als verachtenswert, aber unumgänglich. »Sie haben entschieden, diese Warnung zu ignorieren. Ein Junge ist bereits gestorben. Jetzt hängt Ihr eigenes Leben am seidenen Faden. Ich hätte Ihnen das alles gern erspart. Bedenken Sie das.«
    Innerlich war der Rinpoche allerdings stolz auf sich. Die Götter machten gute Miene zu seinen Bemühungen. Der Russe war zufrieden, und seine Herren in Moskau würden die Unterstützung schicken, die sie versprochen hatten. Jetzt, da er alles unter Kontrolle hatte, würde es kein Hin und Her mehr geben. Die Götter würden ihn reich belohnen. Er wandte sich Chindamani zu.
    »Es tut mir leid, Herrin«, sagte er, »aber ich habe Anweisung, Sie mitzunehmen. Wenn Sie sich entsprechend verhalten, wird Ihnen nichts geschehen.« Er löste seinen Griff und gab sie frei. Sie lief zu Christopher hinüber und nahm ihn fest bei der Hand.
    »Sind Sie verantwortlich für … das hier?« Sie wies auf den Raum hinter sich.
    »Die Hinrichtungen waren nötig«, sagte Tsarong Rinpoche, »wenn ich verhindern wollte, dass meine Bemühungen zunichtegemacht werden. Sam-ja-ting hat sie überwacht. Er hat solche Aktionen schon früher durchgeführt.«
    »Was ist mit meinem Vater?«, fragte Christopher. »Ist ihm etwas zugestoßen?«
    Tsarong Rinpoche zuckte die Achseln.
    »Er war der Abt«, sagte er. »Ich konnte ihn nicht verschonen, wenn ich seinen Platz einnehmen wollte. Er war ein Trulku . Es wurde Zeit für ihn, wiedergeboren zu werden.«
    Zum zweiten Mal in seinem Leben erfuhr Christopher nun von seines Vaters Tod. Der alte Mann war aus dem Dunkel aufgetaucht und jetzt dorthin zurückgekehrt, unerkannt, ohne Vergebung und fast ohne Erinnerung. Er hatte Christopher nichts als Finsternis hinterlassen. Im Schatten hinter ihm bewegten sich die Toten wie ein einziger schwerer Körper. Das war jetzt sein Erbe, und er wusste, dass er es bald einzufordern hatte.
    »Ist der Russe auch für seinen Tod verantwortlich?«
    Tsarong Rinpoche schüttelte den Kopf.
    »Nein. Darum habe ich mich selbst gekümmert.« Er stockte einen Augenblick. »Aber wir haben keine Zeit zum Reden. Sam-ja-ting will Sie sehen. Sie haben ihn sehr beschäftigt, seit Sie hier aufgetaucht sind.«Sie setzten sich sofort in Bewegung. Tsarong Rinpoche übernahm die Führung, ihm folgten Christopher und Chindamani, jeweils eskortiert von zwei Mönchen. Während sie gingen, überdachte Christopher die Lage. Die Säuberung des Klosters war offenbar

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