Der neunte Buddha - Thriller
Lenkrades und atmete langsam aus.
»Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Bei Gott, ich wünschte, ich wüsste es, aber leider … Ich sage die Wahrheit, das schwöre ich.«
»Aber warum …«
»… reden wir über all diese Dinge? Weil ich sicher bin, Christopher, dass da ein Zusammenhang besteht, obwohl ich es Ihnen nicht erklären kann. Bislang weiß ich nur, dass Sie vor acht Jahren am Kailash waren. Und dass Nikolai Samjatin dort vor vier Monaten gesichtet worden ist.«
»Und deswegen haben Sie sich auf den langen Weg zu mir gemacht? Mein Sohn ist entführt worden, und Sie kommenhierher und erzählen mir etwas von irgendwelchen Zufällen? Geschichten von einem Mann, den ich nie gesehen und von dem ich nie gehört habe?«
Winterpole antwortete nicht sofort. Die Schneeflocken draußen tanzten weiter, als er sich dem Kern der Sache näherte. Sie alle bewegten sich in einem Tanz – er, Christopher Wylam, irgendwo weit weg Christophers Sohn und ein Mann namens Samjatin. Sie alle waren gefangen in einem Totentanz, drehten sich ohne Ende in der stummen Finsternis wie die Figuren einer altertümlichen Uhr.
»Da gibt es noch etwas«, sagte Winterpole schließlich in leisem, fast gleichmütigem Ton.
»Fahren Sie fort.«
»Letzten Monat«, berichtete er, »ist ein tibetischer Mönch in Kalimpong in Nordindien eingetroffen. Er war dem Tode nahe. Er hatte den Weg über die Hochgebirgspässe bei sehr schlechtem Wetter genommen. Auf irgendeine Weise – wie, wissen wir nicht genau – muss es ihm gelungen sein, einem Mann namens Mishig eine Nachricht zuzuspielen. Das ist der mongolische Handelsagent in Kalimpong, der auch als Agent für die Russen arbeitet. Vor der Revolution stand er im Dienste des Zaren. Jetzt spielt er den Laufburschen für die Bolschewiken … und fühlt sich dabei genauso wohl. Er informiert sie darüber, wer nach Tibet reist und wer von dort kommt. Keine hochwichtigen Dinge zumeist, aber zuweilen findet sich eine Perle darunter. Sie haben ihn mit einem kleinen Funkgerät ausgerüstet, das er für die Verbindung zu seinem Führungsoffizier in Kalkutta benutzt. Den kennen wir allerdings noch nicht.
Wir wissen nur, dass der Mann in Kalkutta Nachrichten nach Moskau und nach Europa weitergibt, aber nicht, auf welchem Wege. Vorläufig fangen wir alle Funksprüche ab, die zwischen Mishig und Kalkutta hin und her gehen.«
Winterpole unterbrach seinen Bericht und atmete tief durch.
»Am 10. November ist uns ein Funkspruch von Mishig nach Kalkutta ins Netz gegangen, der als ›dringend‹ gekennzeichnet und mit einem anderen Code verschlüsselt war als bisher. Er war mit Sima, dem russischen Wort für ›Winter‹ unterzeichnet. Das ist der offizielle Deckname von Nikolai Samjatin.«
Winterpole verstummte wieder. Christopher spürte, dass er zögerte, auf den Punkt zu kommen.
»Was stand in dem Funkspruch?«, fragte er.
»Verstehen Sie bitte, Christopher«, sagte Winterpole in ruhigem Ton, »dass es von jetzt an kein Zurück mehr gibt. Wenn ich Ihnen das sage, dann werden Sie keine Ruhe mehr finden. Noch kann ich die Sache für mich behalten und Sie da rauslassen. Es ist Ihre Entscheidung.«
»Sagen Sie es mir. Ich muss es wissen.« Christopher spürte, wie sein Magen sich zu einem Knoten zusammenzog. Draußen tanzten noch immer die Schneeflocken.
»Er hat um Informationen gebeten«, sagte Winterpole. »Informationen über einen Engländer namens Christopher John Wylam, der für den britischen Geheimdienst in Indien gearbeitet hat. Und über seinen Sohn. Einen Jungen namens William.«
Jetzt hatte die unsichtbare Meeresströmung Christopher fest im Griff, und er fühlte, wie sie ihn nach unten zog. Verzweifelt wehrte er sich mit wilden Armschlägen dagegen, dass das Sonnenlicht langsam verschwand. Er sagte nichts.
»Drei Wochen später«, fuhr der andere erbarmungslos fort, da er nun einmal begonnen hatte, »fingen wir einen Funkspruch aus Kalkutta an Mishig ab. Darin hieß es, man habe Sie in einem Ort namens Hexham in England ausfindig gemacht. Der Absender bat um weitere Instruktionen.«
Winterpole hielt inne.
»Ich fürchte, an diesem Punkt sind die Dinge etwas außer Kontrolle geraten«, fuhr er dann fort. »Wir glaubten, Mishig werde noch am selben Tag antworten. Er sandte fast täglich zu einer bestimmten Zeit Funksprüche. Aber dieser eine kam nicht. Statt dessen nahm Mishig den nächsten Zug von Siliguri nach Kalkutta. Wir sind sicher, dass er die Instruktionen dem Mann in Kalkutta
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