Der neunte Buddha - Thriller
Einsamkeit in ihr wieder wuchsen. Die körperliche Nähe zu ihm schien die Distanz zu verstärken, die immer noch in ihrem Kopf hockte.
Seine Stimme legte sich über sie wie eine verlangende Hand.
»Warum bist du gekommen?«, fragte er.
»Ist das wichtig?«
Er streichelte ihren Rücken.
»Hast du Angst?«, fragte er.
Sie sagte nichts, legte ihre Hand hinter seinen Kopf und zog sich näher an ihn heran. Sehr leise antwortete sie: »Ja.«
»Vor mir?«
»Nicht vor dir«, antwortete sie. »Vor der Lust auf dich. Vor dem Wunsch, mit dir so zu liegen wie jetzt. Mit dir Fleisch zu werden.«
»Fleisch zu werden?«
Sie hatte nicht »ein Fleisch«, sondern nur »Fleisch« gesagt.
»Mein Leben lang war ich ein Gefäß für den Geist. Ich glaubte, mein Körper sei ein Spiegel, und das Bild sei wichtig, nicht das Glas.« Sie hielt inne. »Ich möchte keine Rolle mehr spielen. Ich bin, was ich bin. Selbst wenn das Glas bricht, will ich mehr sein als nur ein Spiegel.«
Er küsste sie zärtlich auf die Stirn und ließ seine Lippen über ihr Gesicht gleiten. Es waren kleine Küsse, leicht wie fallende Schneeflocken. Sie erschauerte und drückte sich an ihn.
Jetzt strich er mit längeren, stärkeren Bewegungen über ihren Rücken. Sie trug ihre Tageskleidung aus dem Kloster – eine Hose, darüber eine Tunika aus Seide. Seine Hand fuhr über ihr schön geformtes Gesäß, und er spürte das Verlangen in sich aufsteigen. Das Verlangen ist gierig. Es wird dich verschlingen , hatte sein Vater gesagt. Aber wenn er schon verschlungen war? Von der Einsamkeit? Von der Unfähigkeit zu lieben?
Mit bebenden Händen entkleidete er sie. Ihr Körper fühlte sich jung und geschmeidig an, glatt wie Seide. Draußen hatte sich der Wind gelegt, und der Schnee fiel ungehindert herab. Er tauchte alles, was er berührte, in ein mildes Weiß. Christopher beugte sich über sie und küsste sie noch einmal auf dieStirn und auf beide Augen. Sie erschauerte und stöhnte leise. Seine Lippen brannten auf ihrer Haut. Sie glaubte, dass tief in ihr auch die Göttin erbebte.
»Ich liebe dich«, sagte sie. Es war das zweite Mal, dass sie diese Worte aussprach, aber sie schienen ihr immer noch fremd, ein Satz aus einer Liturgie, von der sie gehört, der sie aber noch nie beigewohnt hatte.
Sie fühlte, wie ihr Verlangen nach ihm wuchs und sie überflutete wie Licht einen dunklen Raum. Seine Hände wanderten über ihren Körper, langsam und ruhig wie Flügel von Tauben, die durch die Luft gleiten. Sein Mund fand den ihren in der Dunkelheit wortlos und ohne ein Geräusch. Sie öffnete ihre Lippen für die seinen, ihr Atem mischte sich mit seinem, ihr Herz schlug an seinem. Sie berührte mit der Hand seine Wange. Er fühlte sich fremd für sie an. Blind irrten ihre Finger im dicken Gestrüpp seines Bartes umher.
Aber in beiden wuchs die Begierde und überflutete alles andere. Die Welt schrumpfte auf einen winzigen Punkt zusammen und verschwand schließlich ganz. Nur ihre Körper blieben, schwebend im Raum, einem eigenen Universum, in das weder Licht noch Klang, weder Gut noch Böse vordrangen.
Sie half ihm beim Ausziehen mit Fingern, die die Leidenschaft ungelenk machte. Warum hatte ihr nie jemand gesagt, dass der Körper eines Mannes schöner war als der eines Gottes, das peinliche Begehren befriedigender als das vollkommenste Ritual, ein Augenblick der Erfüllung mehr wert als lebenslange Jungfräulichkeit? Selbst die Götter vereinigten sich mit ihren himmlischen Gefährtinnen.
Seine Hände berührten sie jetzt mit der Leichtigkeit der Liebe, die an ihr Ziel gelangt war. Aus seiner Vergangenheit stiegen Erinnerungen auf, die seine Finger sicher über die unbekannten Regionen ihres Leibes führten. Er spürte, wieunsicher und zögernd sie gegenüber diesem merkwürdigen Neuen war. Sie besaß keine Erinnerungen, die sie führen konnten, nur den Instinkt und die Bilder ihrer leidenschaftlichen Gottheiten.
Als er in sie eindrang und sie sich diesem Tanz ganz hingaben, entdeckten sie eine wilde Harmonie, einen gemeinsamen Rhythmus, der ihre Körper und ihre Herzen ganz in Besitz nahm. Sie glitt unter ihn, leicht und weich ohne Schuld oder Scham in langsamen erotischen Bewegungen, wie keine Kunst und kein Kunstwerk sie darzustellen vermochten. Und auch er fand perfekt zu ihr, passte sich ihr an, suchte und fand sie in der Finsternis mit traumwandlerischer Sicherheit. Die Erinnerungen fielen von ihm ab, und es galt nur noch dieser Augenblick, nur noch Liebe
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