Der neunte Buddha - Thriller
Mucks von sich, aber Christopher wusste, dass er höllische Schmerzen leiden musste.
Bis zum Mittag hatten sie nur sehr wenig Boden gewonnen, aber Lhaten konnte nicht mehr weiter. Der Sturm hatte kein bisschen nachgelassen, und sie waren immer noch nicht am Pass angelangt. Nach und nach kam Christopher zu der Überzeugung, dass er den Jungen doch zurücklassen und Hilfe holen musste. Aber wie sollte er jemanden überzeugen, bei diesem Wetter hierher mitzukommen?
Aus Schnee baute er eine neue Höhle. Dort drängten sie sich zitternd eng zusammen. Von Zeit zu Zeit gab Christopher Lhaten trockene Tsampa zu essen, die dieser mit einer Handvoll Schnee hinunterwürgte. In seinen Gedanken war Christopher in Carfax, wo er vor den lodernden Holzscheiten in der Bibliothek William eine Geschichte von Arthur Mee vorlas.
In der Nacht bekam Lhaten Fieber. Im Delirium stieß er erschrockene Worte und dumpfe Schreie aus.
»Nimm das weg!«, schrie er so laut, dass er das Heulen des Windes draußen übertönte.
»Was soll weg?«, fragte Christopher. »Was siehst du?«
Aber der Junge gab keine klare Antwort. Christopher redete leise auf ihn ein, um ihm ein wenig Sicherheit zu geben, die keine Bedeutung hatte, das wusste er. Die Nacht war lang. Als es Tag wurde, war es draußen trübe und grau.
Lhaten schlief endlich wie ein Baby, das vom Schreien müde geworden ist. Als er wieder erwachte, war sein Kopf klar, aber er klagte über Schwäche. Nicht einmal die Tsampa, die Christopher ihm anbot, behielt er bei sich. Er hatte sich auch den zweiten Fuß erfroren.
Christopher half ihm auf die Beine. Er musste sich bewegen oder sterben. Wie Kinder in einem Alptraum, fest aneinander geklammert, krochen sie in dem wilden Sturm weiter vorwärts. Am Nachmittag erreichten sie den ersten Pass des Sebu-la. Der Sattel war breit und flach, so dass sie durch den Schneesturm etwas besser sehen konnten.
» Lha-gyal-lo. De tamche pham«, flüsterte Lhaten einen Dank an die Götter, die ihnen diesen Sieg geschenkt hatten. »Die Götter haben gesiegt«, sagte er. »Die Dämonen sind geschlagen.« So sprachen alle Reisenden, wenn sie einen Pass sicher erreichten. Aber aus den gefrorenen Lippen des Jungen klangen diese Worte wie eine grausame Ironie.
»Lha-gyal-lo« , wiederholte Christopher und verfluchte dabei alle Götter in seinem Herzen. Er hatte geglaubt, sie spielten immer noch. Aber die Spiele waren längst vorbei.
Lhaten wollte auf dem Pass liegen bleiben, doch Christopher zwang ihn nach einer kurzen Pause weiterzugehen. Dort oben waren sie viel zu ungeschützt. Der Weg senkte sich ein wenig, um bald darauf zum zweiten und letzten Pass anzusteigen. Jeder Fußbreit, den sie sich ihm näherten, war für Christopher ein Triumph.
Die Nacht verbrachten sie in der Senke zwischen den Pässen. In den frühen Morgenstunden flaute der Wind ab, und als es hell wurde, war der Schneesturm vorüber. Als Christopher aufschaute, schien es ihm, als sei die Welt für ihn neu erstanden. Aus einem grauen Himmel sickerte trübes Licht.
An diesem Tag erreichten sie die höchste Stelle des Passes. Aber Christopher wusste, dass sie fast am Ende ihrer Kräfte waren. Er hatte den Jungen den größten Teil des Weges getragen. Dafür musste er mehrere Gepäckstücke zurücklassen.
In einer großen Felsspalte richteten sie ihren Rastplatz ein. Lhaten erklärte, er könne nicht mehr weitergehen, und diesmal stritt Christopher nicht mit ihm. Er wollte am nächsten Morgen aufbrechen und das Kampa-Becken zu erreichen versuchen. Wenn das Wetter so blieb, würde jemand mit ihm zurückkommen. Wenn nicht, wollte er Holz kaufen und ein Gestell bauen, auf dem er Lhaten über den Schnee ziehen konnte. Am Ende war das alles unnötig. Am nächsten Morgen half Christopher Lhaten aus der Spalte ins Tal und ging daran, eine Schneehütte für ihn zu bauen. Dort hatte er es wärmer als in der Spalte und konnte leichter gefunden werden.
Während er wieder Schneeblöcke schnitt, hörte er hinter sich eine Stimme. Ein Mann rief sie von weiter unten ausdem Tal an. Er ließ seine Arbeit liegen und wartete ab, bis sich drei Männer näherten. Sie steckten in schweren Reisekleidern, und ihre Gesichter waren hinter dicken Schals verborgen. Einer war größer als die anderen und ging voran, als sei er der Anführer des Trupps. Es waren Mönche, das konnte Christopher an den Säumen der orangefarbenen Gewänder sehen, die unter ihren Chubas hervorschauten. Sie näherten sich langsam und
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