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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Schultern. »Das entscheide nicht ich«, antwortete er.
    »Sagen Sie mir wenigstens, ob er sicher ist.«
    »Das ist er. Oder er war es, als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe. Wenn unser Gott Chenrezi es will, ist er es immer noch.«
    »Wo befindet er sich jetzt?«, fragte Christopher drängend. »Wohin bringen Sie mich? Gehen wir nach Dorje-la?«
    Der Lama streckte seine nackte Hand aus und berührte Christophers Wange.
    »Sie sind wie ein Kind«, sagte er. »Ein Kind, das nicht schlafen kann.«
    »Sie haben meine Frage nicht beantwortet.«
    »Tatsächlich?«, antwortete der Fremde und erhob sich. Er schritt in die Dunkelheit hinaus, schweigend den Morgen erwartend.
    Sie gingen nun schon sechs Tage lang. Christopher versuchte festzustellen, wo sie sich befanden. Aber das war sinnlos. Markante Punkte gab es zur Genüge – in der Ferne tauchten die Gipfel des Kangchendzönga, des Chombu, des Kangchengyao, des Panhunri und des Chomolhari auf. Zuweilen waren sie zu sehen, dann wieder verdeckten sie näher gelegene Massen von Fels und Eis. Je weiter sie vorankamen, desto schwieriger wurde es allerdings, selbst markante Berge zu erkennen. Christopher hatte sie noch nie aus dieser Perspektive gesehen, und meist konnte er sie nur durch Schätzung ihrer relativen Höhe und Lage erraten.
    Die Sache wurde dadurch kompliziert, dass die Berge selbst einen Mummenschanz der Verkleidung mit ihm zu spielen schienen. Der erste setzte sich eine Krone aus Wolken auf, ein zweiter hüllte sich in Nebel, während ein dritter sich einen Mantel von dickem Schnee umlegte, der seine Umrisse sofort veränderte. Licht und Schatten tanzten über jede Klippe und Schlucht, die sie erreichen konnten. Was wie ein Tal wirkte, konnte sich im nächsten Augenblick als Gletscher erweisen, aus einem stumpfen Felsvorsprung wurde plötzlich eine rasiermesserscharfe Kette, ein strahlend weißes Schneefeld lag im nächsten Augenblick im tiefsten Schatten.Nichts war von Dauer, und Christopher gab es bald auf, sich den Weg merken und je wieder zurückfinden zu wollen. Ein-, zweimal blieben selbst die Mönche stehen und besprachen sich, bevor sie entschieden, welchem Pfad sie folgen wollten.
    Gegen Abend des sechsten Tages sah Christopher, dass sie sich einem breiten Pass näherten. Die Luft war unglaublich dünn, und das Atmen fiel im unsäglich schwer. Selbst die Mönche hatten zuweilen Schwierigkeiten. Kurz vor dem Pass legten sie noch einmal eine Rast ein.
    »Unsere Reise geht zu Ende«, flüsterte der Lama Christopher zu. »Dort liegt unser Ziel.«
    Er wies zum Pass hinauf. Die sinkende Sonne lag auf den Zinnen einer geschwungenen Bergkette. Ein Lämmergeier schwebte schwerelos über dem Sattel, stieg dann wieder auf, das Sonnenlicht auf seinen Flügeln. Unter ihm zog eine Nebelbank träge dahin.
    »Ich kann nichts erkennen«, sagte Christopher.
    »Schauen Sie genauer hin«, riet ihm der Lama. »Dort oben, links neben der Nebelschwade.«
    Da sah Christopher, dass sich in der Ferne etwas bewegte. Er brauchte einige Sekunden, bis er erkannte, was es war – ein Tarcho, die traditionelle Holzstange, an deren ganzer Länge eine mit Gebeten und dem Symbol des Windpferdes bedruckte Baumwollfahne flatterte. Irgendwo in der Nähe musste es menschliche Behausungen geben – ein kleines Dorf oder die Klause eines Eremiten.
    Plötzlich, als sei die Entdeckung des Tarcho durch Christopher ein Signal, hallte das Tal von Klängen wider. Irgendwo hoch oben ertönte ein tiefes Tempelhorn. Das war kein gewöhnliches Blasinstrument, sondern ein riesiges Dungchen . Tief und voluminös durchdrang der Schall des großen Horns jeden Winkel des Passes und des darunterliegenden Tals. In der bedrückenden Stille dieser riesigen Einöde erfülltedas Brummen Christopher mit tiefem Schrecken. Er spürte, wie ihn eine Gänsehaut überlief, als das Echo von allen Seiten widerhallte.
    Dann riss der Ton ab. Als die letzten Echos verklungen waren, herrschte wieder Stille ringsum. Sie stiegen zur Passhöhe hinauf. Der Weg war steil und tückisch. Große Eisfelder zwangen die Männer, auf allen Vieren zu kriechen. Von unten war der Pass zum Greifen nahe erschienen. Jetzt aber neckte er sie, indem er weiter und weiter vor ihnen zurückwich, je höher sie kletterten. Sie erlagen einer Art optischer Täuschung, erzeugt durch ein merkwürdiges Zusammentreffen von Schatten und dem Licht der untergehenden Sonne.
    Endlich hatten sie die Passhöhe erreicht und schritten darüber hinweg.

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