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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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heiligen Tänze aufbewahrt wurden. Hier hatten die Yi-dam, die Schutzgötter, ihren rituellen Wohnsitz, deren schwarze Statuen über das Kloster und seine Bewohner wachten. Es war der Ort des heiligen Grauens, des Herzstücks der tibetischen Religion.
    An der Tür zögerte Christopher. Eine merkwürdige Scheu hinderte ihn einzutreten. Dafür gab es eigentlich keinen Grund. Drinnen waren nur Dunkelheit und merkwürdige Götter, an die er nicht glaubte. Aber etwas ließ ihn innehalten, bevor er eine Hand an die Tür legte und dagegen drückte.
    Sie war unverschlossen. Dahinter lag eine zweite Tür, auf die in grellen Farben das Gesicht eines Yi-dam gemalt war. Rote Augen funkelten ihn an wie glühende Kohlen. Das Licht seiner Lampe flackerte, wurde von verblichener Farbe und Blattgold zurückgeworfen. Er stieß auch die zweite Tür auf.
    Finsternis, die man sehen und spüren konnte, legte sich wie Samt auf seine Augen. Eine greifbare, überwältigende Finsternis. Hier herrschte ständig Nacht. Sie hatte nie wirklich aufgehört und würde ewig dauern. Ein starker Geruch von alter Butter erfüllte die abgestandene Luft. Es war, als betrete man eine Grabkammer.
    Christopher hielt seine Lampe hoch. Von der Decke nahe der Tür hingen mehrere ausgestopfte Tiere herab: ein Bär, ein Yak und ein wilder Hund. Diese alten, verrotteten Kadaver gehörten zu jedem Gön-kang . Sie waren Teil des dunklen Mysteriums dieses Ortes wie die Götterfiguren auf dem Altar. Christopher schüttelte sich vor Abscheu, als er unterihnen hindurchging. Er beugte sich tief, um jede Berührung mit herabhängenden Fellteilen der schlecht erhaltenen Wesen zu vermeiden. Sie hingen schon wer weiß wie lange an diesem Ort und würden so lange dort hängen, bis sie endgültig zerfielen. Generationen von Spinnen hatten eine eigene Haut um die modernden Felle gewoben. Staubige Spinnweben berührten immer wieder Christophers Wangen, während er durch den Raum ging.
    Alles hier war alt. Als er drinnen stand, wusste er, dass der Gön-kang ein uralter Ort war, älter als das Kloster und halb so alt wie die Berge selbst. Es war eine Höhle, niedrig, dunkel und seit dem Anfang der Zeiten den verborgensten Mysterien gewidmet. Die Tanzmasken hingen zu Christophers Rechter an dicken Seilen von der Decke – Symbole von Tod und Wahnsinn, vor langer Zeit gemalt und hier in der Dunkelheit bei den grimmigen Wächtern des Klosters aufbewahrt. Nur ein-, zweimal im Jahr wurden sie herausgeholt und bei rituellen Tänzen getragen. Zum Klang von Trommeln und Flöten drehten sich die Tänzer wie das nackte Mädchen, das Christopher in dem Waisenhaus gesehen hatte, das Gesicht wie eine Maske, die das dumpfe Entsetzen darunter verbarg. Die Masken waren grotesk und überlebensgroß – sie trugen die boshaften Züge von Göttern, Halbgöttern und Dämonen. Für einen Tag machten sie aus einem tanzenden Mönch ein unsterbliches Wesen, aus einem Mann einen Gott.
    Unweit der Masken lehnten an der Wand ganze Stapel alter Waffen – Speere, Schwerter und Brustpanzer, Kettenhemden und Helme mit Federbüschen, chinesische Lanzen und spitze Tatarenhüte. Die alten Sachen waren verrostet und zumeist unbrauchbar, aufbewahrt als Symbole plötzlichen Todes, Waffen für uralte Götter in ihrem Kampf gegen die Kräfte des Bösen.
    An der Rückwand des Raumes standen Statuen von Yi-dam -Göttern, deren zahlreiche Arme und Köpfe mit Streifen alten Gewebes umwunden waren, die einmal Opfer dargestellt hatten. Yamantaka, mit gehörntem Stierkopf und einer Krone aus menschlichen Schädeln geschmückt, grinste aus dem Dunkel. Beim flackernden Schein der Lampe schienen die schwarzen Figuren sich zu bewegen, als tanzten auch sie in ihrer ewigen Nacht. Erfüllt von einer Vorahnung, die er weder begreifen noch beherrschen konnte, trat Christoper weiter in den Raum hinein.
    Da bewegte sich etwas, das kein Schatten war. Christopher fuhr zurück und hielt die Lampe hoch. Vor dem Altar im hintersten Teil des Raumes gegenüber einem Yi-dam saß eine dunkle Gestalt. Als Christopher genauer hinsah, bewegte sie sich und warf sich vor den Göttern der Länge lang auf den Boden. Dann nahm sie wieder eine sitzende Position ein. Es war ein Mönch, warm gegen die Kälte eingehüllt, der hier meditierte. Er schien das Licht von Christophers Lampe nicht wahrgenommen und ihn nicht eintreten gehört zu haben.
    Christopher war unschlüssig, was er nun tun sollte. Er vermutete, das müsse der Mönch sein, der den Brief

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