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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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sagen konnten, bestand darin, dass Arthur Wylam lange tot war, bevor er in jener Nacht aus seinem Zelt fortging. Ich war eine leere Hülle ohne jede Substanz. Ich handelte, ich erfüllte meine Pflichten, ich galt als Mensch. Aber innerlich war ich bereits tot. Wie einer der Ro-langs, der Untoten, denen Menschen manchmal in diesen Bergen zu begegnen glauben.
    Als ich das Lager an jenem Morgen verließ, wusste ich nicht, was ich tat und wohin ich ging. Um ehrlich zu sein, ich kann mich nur noch schwach daran erinnern. Ich weiß aber, dass mein Leben keinen Sinn mehr hatte. Was ich den Menschen geben konnte, war ausgeschöpft. Ich wollte nur noch fortgehen. Und genau das tat ich. Tagelang ging ich, kletterte und stolperte immer tiefer in diese Berge hinein. Ich hatte keinen Proviant bei mir und keine Ahnung, wo ich etwas zu essen finden könnte. Ich war verloren und mein Geist in tiefer Verwirrung.«
    Er hielt inne, offenbar durchlebte er noch einmal die Verlassenheit und die Schrecken jener Tage.
    »Zwei Mönche aus Dorje-la fanden mich an einem Ort namens Sepo. Ich war dem Tode nahe. Eigentlich etwas ziemlich Alltägliches – ein sterbender Mann, erfroren, ausgehungert und wirr im Kopf. Aber in Tibet ist nichts alltäglich. Die Tibeter sehen Zeichen in allem – in einem Meteor, in einer Missgeburt, in einem Vogel, der über einem Berg kreist. Kleine Dinge erregen ihre Aufmerksamkeit – wie die Ohren eines Kindes geformt sind, wie das Stroh auf dem Dach eines Bauernhauses liegt, wie der Rauch aus einem Schornsteinaufsteigt. Dinge, die du und ich gar nicht bemerken. Dafür sind wir der Welt schon zu entfremdet.
    An dem Ort, wo sie mich fanden, treffen zwei Gletscher aufeinander. Nach Osten erhebt sich ein spitzer Gipfel, und nach Westen geht es tief in den Abgrund. An dem Tag, als sie mich dort entdeckten, wurden zwei Aasgeier gesichtet, die lange über dieser Stelle kreisten. Ich denke, die haben nur darauf gewartet, dass ich den Geist aufgebe. Ich wäre eine gute Mahlzeit für sie gewesen. Alles einfache Dinge, aber für die Mönche waren das Zeichen. Sie sprachen von einer Prophezeiung, dass der neue Abt von Dorje-la an einem solchen Platz gefunden werden sollte. Ich weiß bis heute nicht, ob das stimmt und ob diese Prophezeiung je existiert hat. Aber sie haben daran geglaubt. Nach und nach tat ich es auch.«
    Christopher unterbrach ihn verständnislos.
    »Aber du warst kein Kind mehr«, sagte er. »Du warst ein Mann von vierzig Jahren, ein Erwachsener. Sie wählen stets Kinder als neue Inkarnation aus, meist bereits im Alter von drei, vier Jahren.«
    Sein Vater seufzte und legte Christopher die Hand auf die Schulter.
    »Dies ist kein gewöhnliches Kloster, Christopher. Wir sind hier in Dorje-la. Hier laufen die Dinge anders.« Er verstummte und seufzte wieder. »Ich bin der dreizehnte Abt dieses Klosters. Mein Vorgänger ist in dem Jahr gestorben, als ich geboren wurde. Er hat die Weisung hinterlassen, erst in vierzig Jahren nach seinem Nachfolger zu suchen. Darin heißt es weiter, seine neue Inkarnation werde von Süden, aus Indien, kommen. Und es werde ein Pee-ling sein.«
    Er verstummte wieder. Christopher sagte nichts. Wenn der alte Mann an diesen Unsinn glaubte, welches Recht hatte er, ihm zu widersprechen? Vielleicht war es auch gar kein Unsinn. Vielleicht ergab diese Prophezeiung einen Sinn, denChristopher mit seinem westlichen Denken nicht erfassen konnte.
    »Wollen wir in einen anderen Raum gehen?«, fragte der alte Mann.
    Christopher nickte.
    »Ich bin in deiner Hand«, sagte er.
    Sein Vater blickte ihn an, als wollte er in dem Mann das Kind wiederfinden, das er vor so vielen Jahren verlassen hatte. War davon überhaupt noch etwas übrig?
    »Nein«, sagte er, »du hältst dein Schicksal selbst in der Hand.
    Sie verließen die Chörten -Halle und traten durch schwere Vorhänge in ein kleines Zimmer. Es war rund und maß etwa vier Meter im Durchmesser. Es war ohne die üblichen Kissen und Vorhänge und völlig schmucklos. Am Ende der Welt hatte Arthur Wylam zu Entsagung gefunden. Ein einfacher Teppich bedeckte den Boden. In den Nischen waren Bücher aufgestapelt. Von der niedrigen, gewölbten Decke hingen mehrere Lampen.
    Sie setzten sich zusammen auf den Teppich – Vater und Sohn.
    »Hier ist es sehr einfach, fürchte ich«, sagte der alte Mann. »Keine Vögel, keine Schmetterlinge und keine Fische.«
    »Wozu brauchst du die?«, fragte Christopher und meinte die Tiere und Pflanzen in den Räumen, durch

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