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Der neunte Buddha - Thriller

Der neunte Buddha - Thriller

Titel: Der neunte Buddha - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wirklich alles, was Samjatin wollte?
    »Wer ist das?«, fragte Christopher.
    »Wen hätten Sie denn gern?«, fragte Chindamani zurück. »Einen König? Vielleicht den nächsten Kaiser von China? Oder den überlebenden Sohn des ermordeten Zaren? Sie sehen, ich bin nicht ganz uninformiert über Ihre Welt.«
    »Ich weiß nicht«, sagte er. »Er könnte alles sein. So etwas habe ich nicht erwartet.« Aber was hatte er erwartet? Hatte er überhaupt etwas erwartet?
    »Er ist nur ein kleiner Junge«, sagte Chindamani leise, aber leidenschaftlich. »Das ist alles, was er ist. Was er gern sein möchte.« Sie schwieg einen Augenblick. »Aber er wird nicht gefragt. Er kann nicht sein, was er will, weil andere Menschen etwas anderes wollen. Verstehen Sie?«
    »Was sehen sie denn in ihm?«
    Chindamani schaute den schlafenden Jungen an, dann wieder Christopher.
    »Den Maidari Buddha«, sagte sie dann. »Den neunten Buddha von Urga. Und den letzten.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Sanft und traurig schüttelte sie den Kopf.
    »Nein«, sagte sie, »das verstehen Sie nicht.« Wieder blickte sie den Jungen an. »Er ist der legitime Herrscher der Mongolei«, flüsterte sie. »Der Schlüssel zu einem ganzen Kontinent. Verstehen Sie jetzt?«
    Christopher schaute auf den Jungen nieder. Das war es also. Samjatin suchte den Schlüssel, um die Schatzkammer Asien aufzuschließen. Einen lebenden Gott, der ihn zum mächtigsten Mann im Osten machen sollte.
    »Ja«, sagte er langsam. »Ja, ich glaube, jetzt beginne ich zu verstehen.«
    Sie wandte sich ihm wieder zu. »Nein«, sagte sie dann. »Sie verstehen nichts. Gar nichts.«

30
    Sie ließen die Kinder schlafend zurück und gingen wieder in die Nacht hinaus. Über die Brücke kehrten sie zum Hauptgebäude zurück. Das Kloster lag noch immer in tiefem Schlaf, aber Chindamani bestand darauf, dass sie sich langsam und geräuschlos bewegten, bis sie Christophers Zimmer erreicht hatten. In dieser Nacht blieb sie bis kurz vor der Morgendämmerung bei ihm. Trotz ihrer Anwesenheit war er zunächst in sich gekehrt, denn Williams Anblick hatte ihn sehr niedergeschlagen gemacht. Auf einem Öfchen in einer Ecke bereitete sie Tee. Es war chinesischer Tee, blasser Oolong, in dem Jasminblüten schwammen wie Lilien auf einem duftendenSee. Als er fertig war, goss sie ihn vorsichtig in zwei kleine Porzellantassen, die nebeneinander auf einem niedrigen Tischchen standen. Die Tassen waren dünn wie Papier oder Eierschalen und von einem matten Blau. Durch das feine Porzellan konnte Christopher sehen, wie der Tee in dem sanften Licht golden schimmerte.
    »Die Chinesen nennen dieses Porzellan Tuotai «, sagte Chindamani und fuhr mit der Fingerspitze über den Rand ihrer Tasse. »Es ist sehr selten. Diese beiden Tassen waren ein Geschenk des Kaisers Kangxi an den Abt von Dorje-la. Sie sind über zweihundert Jahre alt.«
    Sie hielt die Tasse gegen das Licht und sah dem Spiel der Flammen in der bernsteinfarbenen Flüssigkeit zu. Zum ersten Mal hatte Christopher Gelegenheit, sie genauer zu betrachten. Ihre Haut ähnelte dem Porzellan der Tasse in ihrer Hand, so zart und durchsichtig war sie. Sie maß kaum 1,50 Meter, und jeder Teil von ihr brachte ihre zierliche Gestalt zu vollkommener Harmonie. Wenn sie sich bewegte, wenn sie Tee eingoss, die zerbrechliche Tasse an ihre Lippen hob oder sich nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, tat sie das mit einer Anmut, wie er es noch nie bei einer Frau erlebt hatte.
    Das war keine einstudierte oder manierierte Grazie, sondern eine natürliche Leichtigkeit der Bewegungen, die aus der totalen Harmonie ihres Körpers mit der Umwelt herrührte. Er meinte, sie könne über Wasser oder eine Wiese gehen, ohne einen einzigen Halm des zarten Grases zu knicken. Und er war traurig darüber, dass solche Vollkommenheit so ganz außerhalb der Reichweite eines groben Kerls, wie er einer war, zu sein schien.
    Schweigend tranken sie ihren Tee und sahen dem Spiel der Schatten an den Wänden zu. In seinen Gedanken war Christopher weit weg, als treibe er auf einem Floß in deroffenen See, ohne zu wissen, wo die Küste war und ob es sie überhaupt gab. Sie sah ihn nicht an und versuchte nicht, sein Schweigen zu brechen oder ihn von seinem Schmerz abzulenken. Aber wenn er von Zeit zu Zeit aufschaute, war sie da, das Gesicht halb von Schatten verdeckt.
    Dann begann er doch zu reden. Zuerst waren es nur Gedankenfetzen, immer wieder unterbrochen von langem Schweigen. Der Tee wurde kalt, die

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