Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)
war eine Geste, die mir sehr viel bedeutet hat. Es gibt keine Zukunft ohne Versöhnung und ich glaube, er wollte mit sich und seiner Vergangenheit so weit wie möglich Frieden schließen. Das heißt nicht, dass er die rumänische Politik nicht immer noch kritisch verfolgt und das Gewesene vergessen kann. Es zeigt vielmehr, dass er die Größe hat, nicht alle und alles über einen Kamm zu scheren. Mein Vater ist für mich ein Fels in der Brandung. Ich bin dankbar, dass er gesundheitlich gut zurecht ist und er noch heute regen Anteil an meinen Aktivitäten nimmt. Er kommt zu Konzerten und Veranstaltungen und wir sehen uns, wenn auch viel zu selten, einigermaßen regelmäßig. Wir beide haben den Weg zurück gefunden, auch wenn unsere neue Heimat jetzt im »Westen« liegt.
Bild 3.: In der selbst erbauten Kapelle auf Mallorca
Wohnt dort der liebe Gott?
Über die Rückbesinnung auf Glauben und Werte
Wer ist Gott? Sicherlich nicht ein alter Herr mit langem Bart. Ich bin im Alter wieder gläubiger geworden, oder sagen wir’s mal anders: Ich kann mit dem Umstand mehr anfangen, dass das, was wir mit unseren menschlichen Sinnen erfassen können, nicht alles ist. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass man im Alter Endlichkeit besser begreift oder sie näher an sich heranlässt. Ich habe im Laufe der letzten Jahre den Glauben wieder schätzen gelernt, nachdem – und das muss ich offen eingestehen – ich mich davon entfernt hatte. Mit 20 sagt man: Who the fuck cares? Mit der Zeit habe ich mich wieder mit Glauben auseinandergesetzt. Das hängt auch mit meinem Sohn Yaris zusammen. Er ist neun Jahre alt und neugierig. Es ist diese wunderbare Neugierde, die Kinder mit sich bringen. Er will alles wissen, er saugt es regelrecht auf. Es gibt nichts Bereichernderes, als mit einem Kind die Welt zu entdecken. Kinder stellen ganz andere Fragen und sehen die Welt viel naiver als Erwachsene – wobei ich mit »naiv« nicht unbedingt »einfach« meine. Kinder haben ein ursprünglicheres Verständnis für die Dinge, die uns manchmal abhandenkommen. Das erlebe ich immer wieder, wenn Kinder und Jugendliche aufeinandertreffen. Erstaunlicherweise klappt das Miteinander spielend, während wir Erwachsene uns hin und wieder furchtbar schwer tun. Das Handeln von Kindern ist nicht von Eitelkeiten geprägt. Dies habe ich vor wenigen Monaten wieder einmal bei unserem Symposium »Begegnungen – Schutzräume für Kinder« gespürt. Wir hatten im niedersächsischen Ort Duderstadt Kinder aus unterschiedlichen Nationen zu Gast: aus Rumänien, Spanien, Israel, Deutschland und Palästina – aus den Ländern, in denen unsere Stiftung aktiv ist. Da gibt es keine Vorbehalte, noch nicht einmal ernsthafte sprachliche Barrieren. Die jungen Leute gehen aufeinander zu und binnen Minuten ist das Eis gebrochen. Am Vorabend der Eröffnung unseres Symposiums gab es eine Jugenddisco. Kaum war die Musik an, tanzten rund 100 Kinder. Sie integrierten sich selbst in eine große Gemeinschaft, unterschiedliche Wertevorstellungen waren kein Thema. Ich glaube, dass solche Begegnungen im Kindesalter prägend sein können. Begegnungen mit »anderen«, die deutlich machen, dass wir im Grunde doch alle gleich sind. Hautfarbe und Sprache sind dabei kein Hinderungsgrund.
Auf dem Gelände in Mallorca, auf unserer Finca, haben wir vor einigen Jahren eine Kapelle gebaut. Wir haben angefangen mit einem Kreuz, einem Malteserkreuz, und später daneben die Kapelle errichtet. Das Kreuz steht an der alten Strecke nach Campanet. Wunderbar gelegen und eingerahmt von Zypressen, direkt an einer Weggabelung. Der ideale Platz, an dieser Stelle eine Kapelle zu errichten. Im Laufe der letzten Jahre ist die Kapelle einer der wichtigsten Orte für mich geworden. Wenn ich weg fahre, zum Beispiel vor einer längeren Tournee, oder wenn ich zurückkomme, dann gehe ich zuerst dorthin. Ich glaube, jeder Mensch legt sich im Leben so ein paar Dinge zurecht. Das wird zur Angewohnheit, die wichtig ist für einen selbst. Dazu gehört für mich auch dieser Zwischenstopp, dieses Innehalten. Wenn ich sonntags in Pollença bin, gehe ich auf den Markt und kaufe Blumen. Das ist schon fast ein Ritual geworden. Ich stelle dann an vier Stellen im Haus die Blumen auf – und in der Kapelle.
Auf Gott muss man sich einlassen. Das ist mir früher sehr schwer gefallen, und mit der Institution Kirche habe ich noch heute meine Schwierigkeiten. Aber es stört mich nicht, dass ich aus der Kirche ausgetreten bin. Damit
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