Der neunte Ton: Gedanken eines Getriebenen (German Edition)
wollen.
Und plötzlich kommen zu solchen Konzerten innerhalb kürzester Zeit 60.000, 70.000 Menschen zusammen. Und Gott sei Dank gibt es Medien, Magazine, wie den »Stern«, die das mittragen und den Impuls dadurch multiplizieren. Wir leben zum Glück in einer aktiven Szene und es gibt Künstler, die sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind. Viele junge Künstler machen schon jetzt deutlich, dass sie sich einbringen wollen, wie Clueso oder Silbermond zum Beispiel.
Ich glaube, der Groschen fiel für mich, als ich 50 wurde. Dann aber ziemlich deutlich. Mit 14 habe ich angefangen, Musik zu machen, und habe nicht geahnt, dass Musik auch eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielen kann. Der Gedanke, eine Stiftung zu gründen, war mir völlig fremd. Eigentlich ging es in all den Jahren immer nur um Musik, um Rock’n’Roll, um Lebensqualität und Lebensstil und all die Träume, die man damit in Verbindung bringt. Im Lauf der Zeit entwickelte sich eine immer stärkere Popularität. Und – wir haben erkannt, dass diese Popularität ein Mittel zum Zweck sein kann, etwas zu bewegen. Bis dahin hatten wir uns oft anonym engagiert oder in vielen unterschiedlichen Aktionen. Wir haben uns eingebracht, aber auf den Geldscheinen stand nicht »Peter Maffay«. Wir wussten nie genau, was die Aktionen letztendlich bewirkt haben, ob gespendetes Geld den Adressaten tatsächlich erreicht hat und nicht – wie ach so oft – in falschen Kanälen versickert ist. Es ging uns nicht darum, uns in den Vordergrund zu spielen, aber irgendwann – spätestens Anfang der 80er-Jahre – wurde mir bewusst, dass eben jener Peter Maffay auch die Möglichkeit hat, als Sprachrohr zu agieren. Auf goldenen Schallplatten, Echos und all den anderen Preisen, so toll sie auch sind, kann und darf man sich nicht ausruhen. Das allein als Ziel reicht nicht. Es gibt Wichtigeres …
Rund um meinen 50. Geburtstag haben wir dann also Nägel mit Köpfen gemacht und eine Stiftung gegründet. Für mich auch eine Form der Neupositionierung. Es war eine Ausrichtung, die mit den Jahren immer klarer wurde. Die ersten Schritte waren natürlich ein bisschen holprig, wurden aber im Lauf der Zeit immer konkreter.
Ausschlaggebend für die finale Entscheidung war allerdings das Treffen mit Dr. Jürgen Haerlin Mitte der 90er- Jahre. Zwischen all der Post, die uns jeden Tag erreichte, war eines Tages ein Brief eines Psychologen. Er leitete ein Kinderheim in Tutzing am Starnberger See. Irgendwann wollten seine Schützlinge nicht länger in einem »Kinderheim« wohnen. Sie wollten ihrem Haus einen Namen geben, der sie nicht länger stigmatisierte und mit dem sie sich identifizieren konnten. »Kinderheim« hatte zu sehr den Touch von Schicksal. Sie wollten einen fröhlichen Namen: Die Einrichtung sollte nach Wunsch der kleinen Bewohner »Tabalugahaus« heißen. Mit Jürgen Haerlin war von da an ein kompetenter Macher im Hintergrund dabei. Er hatte ein klares Konzept und wusste um den Wert des Namens »Tabaluga«. Für uns war es eine große Ehre, dass die Kinder sich ausgerechnet den kleinen grünen Drachen als Patron ausgesucht hatten. Entsprechend sagten wir spontan zu. Erstmals hatten wir den Eindruck, dass Tabaluga eine Mission hatte, die über seine Bühnenpräsenz hinausging. Es war aber auch der Augenblick, in dem wir erkannten: Kinder haben es nicht in der Hand, in welche Lebensumstände sie hineingeboren werden. Sie sind die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft und auch wenn es in der Zwischenzeit abgedroschen klingt, müssen wir uns alle immer wieder hinterfragen, ob wir genug für Kinder und Jugendliche tun.
Mit der Gründung unserer eigenen Stiftung begann ein neues Kapitel, eine neue Zeitrechnung. Plötzlich sahen wir uns mit organisatorischen und logistischen Herausforderungen konfrontiert. Ich bin dankbar, ein kleines, aber effizientes Team an meiner Seite zu wissen, das sich von der ersten Stunde an um die Aktivitäten der Stiftung gekümmert hat. Menschen, die nicht wie ich in der Öffentlichkeit stehen, sich aber Tag für Tag einbringen. Vor allem ist es uns wichtig, Transparenz aufrechtzuerhalten, die Verwaltungskosten so gering wie möglich zu halten und nachhaltig zu agieren. Wir können keine Wunder vollbringen und man muss sich auch immer wieder kritisch selbst hinterfragen. Deshalb ist mir klar, wie wichtig es ist, zu wissen, was in den einzelnen Projekten vorgeht, und ich lasse mich fast täglich auf den Stand der Dinge bringen.
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