Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Gefühl in der Brust und sagte sich, dass er besser daran tat, aufzuhören, über solche Dinge nachzudenken.
    »Was werden Sie tun?«, fragte er.
    Ingmar Thunell strich sich einen imaginären Kinnbart glatt.
    »Nichts«, sagte er kühl. »Wir werden den Vorfall ignorieren. Die Arbeit des Jahres ist getan, und übermorgen schreiten wir zur Abstimmung, um den Preis dem Verdienstvollsten zuzuerkennen, ohne Rücksicht darauf, ob Schwede oder Ausländer, ob Mann oder Frau, genau so, wie Alfred Nobel es verfügt hat.« Er legte in einer Geste, die etwas Abschließendes hatte, die Hände flach vor sich auf den Tisch. »Und ohne Rücksicht darauf, ob uns jemand zu beeinflussen versucht oder nicht.«

KAPITEL 6
    Nach dem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Nobelkomitees kehrte Hans-Olof in sein Büro zurück, doch er war außerstande, einen klaren Gedanken zu fassen oder womöglich mit seiner Arbeit fortzufahren, als sei nichts gewesen. Immer wieder wanderte sein Blick zum Fenster hinaus, und als er in Bosse Nordins Büro Licht angehen sah, sprang er sofort auf, riss seinen Mantel vom Haken und stürmte hinaus.
    »Um Himmels willen«, entfuhr es Bosse, als Hans-Olof ohne anzuklopfen in sein Zimmer gestürmt kam. »Was ist denn mit dir los?«
    »Wer war der Mann in der Kirche?«, fragte Hans-Olof, noch außer Atem von drei Treppen hinab und drei Treppen hinauf.
    »Welcher Mann?«
    »Der in der Kirche mit dir gesprochen hat.«
    Bosse zuckte großäugig mit den Schultern. »Keine Ahnung.«
    »Ich habe gesehen, wie du auf mich gezeigt hast.«
    »Ja. Er wollte wissen, wer du bist.«
    »Wer ich bin? Wieso das denn?«
    »Keine Ahnung. Er hat mich gefragt, ob ich Professor Hans-Olof Andersson kenne. Ich habe gesagt, ja, da drüben sitzt er. Und auf dich gezeigt.« Auf Bosses rosig-draller Stirn zeigten sich die ersten Unmutsfalten. »Würdest du jetzt bitte die Freundlichkeit haben, mir zu erklären, was das alles soll?«
    »Der Mann hat versucht, mich zu bestechen«, sagte Hans-Olof und ließ sich in Bosses Besucherstuhl fallen.
    »Dich zu bestechen?«
    »Drei Millionen Kronen, wenn ich übermorgen für Sofía Hernández Cruz stimme.«
    »Ist nicht wahr.«
    »Er hatte das Geld gleich dabei. Einen ganzen Koffer voll.«
    » Skit . « Bosse stand mit einer heftigen Bewegung auf, seinen Schreibtischstuhl mit den Kniekehlen davonstoßend, dass er gegen einen hüfthohen Hydrokulturbottich rappelte, trat ans Fenster und sah hinaus, als gäbe es drunten auf dem Fußweg heimtückisch lauernde Verfolger zu entdecken. »Und was hast du gemacht?«
    Hans-Olof ächzte. »Was wohl? Ihm gesagt, dass er sich zum Teufel scheren soll.«
    »Oh, natürlich. Der Ritter ohne Furcht und Tadel. Und dann?«
    »Bin ich zu Thunell und habe ihm alles erzählt. Aber der sieht keinen Anlass, etwas zu unternehmen.«
    »Zu Thunell?« Bosse seufzte und ließ den Kopf mit einem dumpfen Bums nach vorn gegen die Scheibe sinken. »Nein, ich meinte den Mann. Was hat er gemacht, nachdem du ihm das gesagt hast?«
    »Der war ziemlich hartnäckig. Ich musste ihm mit der Polizei drohen, ehe er seinen Koffer gepackt hat und gegangen ist.«
    Bosse sagte erst nichts, dann stieß er einen so derben Fluch aus, dass Hans-Olof fast zusammenzuckte. Er war es zwar gewohnt, dass Leute anders reagierten, als er es erwartete, aber heute schien er in dieser Hinsicht einen besonders schlechten Tag erwischt zu haben.
    »Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte er behutsam.
    Bosse Nordin drehte sich unwillig um und sah ihn finster an. »Hoffen, dass es damit vorbei ist.«
    »Was?«
    »Ach, vergiss es.« Der untersetzte Zellphysiologe starrte über Hans-Olofs Schulter, als gäbe es auf der grau gestrichenen Wand neben der Tür seines Büros etwas sagenhaft Interessantes zu sehen. Dann riss er sich los, von welchem inneren oder äußeren Bild auch immer, schüttelte den Kopf, als müsse er unwillkommene Gedanken daraus vertreiben, und sagte: »Die Hernández Cruz. Die Dame mit dem tiefen Ausschnitt, ausgerechnet. Ich werde nie begreifen, wieso jemand den Nobelpreis kriegen soll, dafür, dass er mit Studenten Schweinkram veranstaltet. Schlag mich, aber ich begreif’s nicht.«
    »Ihre Arbeiten sind wissenschaftliche Glanzleistungen«, widersprach Hans-Olof verwirrt. »Sie hat die Neurophysiologie vom Kopf auf die Füße gestellt.«
    Bosse schnaubte unwillig. »Ach ja, ich vergaß. Du hast ja einen Narren an ihr gefressen.«
    »Ich wundere mich bloß. Jemand versucht, ein Mitglied der

Weitere Kostenlose Bücher