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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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viersitziges Sofa für vierzehntausend Kronen an. »Wann hast du das letzte Mal mit Kristina gesprochen?«
    »Gestern Abend.«
    »Wie klang sie?«
    Er gab ein eigentümliches Geräusch von sich, so, als habe er sich eben in den Finger geschnitten. »Nicht gut.«
    Ich sah ihn an und merkte, dass er mit den Tränen kämpfte.
    »Was heißt das?«, fragte ich, bemüht, mir nichts anmerken zu lassen. Ich musste kalt bleiben, effizient.
    Hans-Olof sah aus dem Fenster. Sein Atem ging bebend.
    »Sie hält das nicht mehr lange durch. Sie klingt wie ein Baby. Sie erzählt die ganze Zeit, wie nett die Männer zu ihr seien, aber sie klingt dabei wie ein Baby.«
    Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich musste ein in mir aufsteigendes Entsetzen niederkämpfen und vor allem eine namenlose Wut, ein Zorn von der Intensität einer Nuklearwaffe. Ich glaubte zu ahnen, dass ich das nächste Mal nicht mehr wegen Einbruchs oder Datendiebstahls angeklagt werden würde, sondern wegen mehrfachen Mordes.
    »Hast du auch mit den Entführern gesprochen?«
    Hans-Olof nickte. »Ja.«
    »Was war dein Eindruck? Ahnen sie etwas?«
    Er starrte vor sich hin, sichtlich aufgewühlt. »Jetzt, wo du es sagst … Der, der mich immer anruft – der mit der kehligen Stimme, der nur Englisch spricht –, er hat neulich so etwas Seltsames gesagt. ›Sie sind doch noch brav, Professor, oder? Sie planen nichts, das uns zwingen würde, Ihrer Tochter etwas anzutun?‹ In der Art redet er mehr oder weniger dauernd, nicht konkret, eher verschwommen, bedrohlich … Ich erkläre ihm dann immer, dass ich alles tue, was er will, aber neulich hat er nachgehakt, ob ich auch bestimmt niemandem etwas erzählt hätte.«
    »Wann war das?«
    »Ende letzter Woche. Freitagabend, glaube ich.«
    Einen Tag also, nachdem mir der Direktor meine bevorstehende Entlassung verkündet hatte. »Und seither?«
    »Seither war nichts mehr. Jedenfalls ist mir nichts aufgefallen. Allerdings habe ich, ehrlich gesagt, nur auf Kristina geachtet.« Er sah mich an. Sein Blick ging unruhig hin und her. »Was hat das zu bedeuten?«
    »Dass ich so schnell wie möglich handeln muss.«
    Hans-Olof nickte heftig. »Gut. Weißt du schon, wie du vorgehen willst?«
    »Ich brauche Hintergrundinformationen. Irgendeine Spur, der ich folgen kann. Ich denke, als Erstes werde ich dieser Niederlassung einen Besuch abstatten. Rütlipharm. Vielleicht finde ich dort etwas, das mir weiterhilft.«
    »Ah, gut. Und wann?«
    »Weiß ich noch nicht. Ich muss erst ein paar Vorbereitungen treffen, die Umgebung auskundschaften und so weiter. Aber es ist sowieso am sichersten, du weißt von alldem so wenig wie möglich.«
    Er fuhr entsetzt auf, mit Augen so groß wie Teetassen. »Was? Bist du verrückt? Ich muss erfahren, was du tust! Ich muss über jeden deiner Schritte und alles, was du vorhast, Bescheid wissen. Bitte, Gunnar, das darfst du mir nicht antun, das halte ich nicht aus. Ich bin dicht davor, durchzudrehen, und bei der Vorstellung, zu Hause zu sitzen und nicht zu wissen, was los ist, was du tust, ob du überhaupt noch am Leben bist, werde ich wahnsinnig.«
    »Sei vernünftig. Es ist viel zu riskant, wenn wir miteinander in Kontakt stehen. Garantiert hören die dein Telefon ab, kontrollieren deine Post, beobachten dein Haus … Sie dürfen nichts von meiner Existenz ahnen, das ist dir doch klar?«
    Hans-Olof nickte heftig. »Ja, natürlich. Deswegen habe ich mir auch etwas überlegt.« Er langte nach seiner Aktentasche auf dem Rücksitz und holte zwei silbern schimmernde Geräte hervor, die ich auf den ersten Blick für Taschenrechner hielt. »Hier, zwei Mobiltelefone. Digital, abhörsicher, und sie laufen nicht auf meinen Namen. Darüber können wir in Verbindung bleiben.«
    Ich nahm eines der Geräte und betrachtete es verwundert. Das war ein Telefon? Da war offenbar eine unglaubliche technische Entwicklung an mir vorbeigegangen. In der Zeit vor meiner Haft hatte ich das Aufkommen der Mobiltelefone noch erlebt, zeitweise sogar erwogen, mir eines zuzulegen, aber damals hatten selbst die teuren, kleinen Geräte ordentlich schwer in der Hand gelegen. Dagegen wirkte dieses Ding wie ein zu groß geratener Schlüsselanhänger. Ich drückte auf eine der Tasten, und wirklich, es erwachte zum Leben. Der kleine Bildschirm wurde hell, forderte mich zur Eingabe einer Geheimzahl auf, und das auch noch in Farbe!
    »Hier sind die Unterlagen, PIN-Codes, Handbuch und so weiter«, plapperte Hans-Olof eifrig und

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