Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
hatte ich durchaus registriert, dass die Darsteller in den Fernsehserien bei jeder Gelegenheit ein Mobiltelefon zückten. Bloß hatte ich das nicht für bare Münze genommen; schließlich zeichnen solche Filme ja auch sonst eine Traumwelt. Die Figuren bewohnen immer Wohnungen, die sie sich bei den Berufen, die sie angeblich haben (die man sie gleichwohl nie ausüben sieht), gar nicht leisten könnten, genauso wenig wie die Wagen, die sie fahren, oder die Kleidung, die sie tragen. Klar, dass sie Mobiltelefone besaßen. Doch in diesem Fall hatte das Fernsehen, was den Durchdringungsgrad der Bevölkerung mit diesen Dingern anbelangte, womöglich eher untertrieben.
    Ich war froh, als ich endlich aussteigen konnte, weil mir der Kopf schwirrte von all den halben Gesprächen. War es heutzutage wirklich unentbehrlich geworden zu wissen, dass jemand gerade in der Linie 10 saß, am Fridhelmsplan aber in die 17 umsteigen würde? Mussten Mütter ihren Kinder neuerdings erklären, wie man die Mikrowelle öffnet und ein Tiefkühlgericht hineinschiebt? Hatten Ehepaare keine Zeit mehr, sich über zu tätigende Einkäufe abzustimmen, ehe sie das Haus verließen, sodass diese Gespräche unterwegs geführt werden mussten? In was für eine Welt war ich da geraten?
    Auch als ich die Vasagatan entlangschlenderte und zum ersten Mal das Gefühl von Freiheit wieder in mir aufstieg, sah ich Leute im Gehen telefonieren, aber zum Glück bekam man dabei nicht mit, was sie sagten. Den Schnellimbiss an der Ecke Kungsgatan gab es immer noch, und ich investierte einen ansehnlichen Teil meines Entlassungsgeldes erst einmal in zwei Hamburger mit Pommes und Cola. Natürlich konnte man auch hier nicht in Ruhe an einem der schmierigen Tische sitzen und essen, ohne vom Nebentisch die Hälfte eines Beziehungsdramas mitzubekommen. »Wieso hast du dann mit mir geschlafen, wenn du mich nicht liebst?«, schluchzte eine dicke Sechzehnjährige in ihr Telefon.
    Ich verzog das Gesicht. Erstens: Wie blöd musste man sein, um so etwas zu fragen? Und zweitens: War eigentlich das Bedürfnis völlig verloren gegangen, sich bei Telefonaten im Allgemeinen und bei derart intimen Gesprächen im Besonderen in eine schützende Höhle zu verkriechen? Hatte man zum Jahrtausendwechsel die Privatsphäre abgeschafft und mir nichts davon gesagt? Ich drehte mich demonstrativ zu dem Mädchen um und glotzte sie breit kauend und mit finster gefurchten Augenbrauen an, bis sie es vorzog, sich nach draußen auf die Straße zu verziehen. Dort sah ich sie weiter herumheulen, aber wenigstens musste ich es mir nicht mehr anhören.
    Trotzdem kam ich mir vor wie ein Dinosaurier, als ich, das Fast Food schwer im Magen, wieder auf die Vasagatan hinaustrat. Das mit dem »sich in eine schützende Höhle verkriechen« war gar keine so schlechte Idee für den Anfang. Ich kramte den Prospekt aus der Jackentasche, den Hans-Olof mir gegeben hatte, und machte mich anhand des Lageplans auf die Suche.
    Das Hotel, an das ich mich zu erinnern geglaubt hatte, war nicht das Nordlanden, sondern ein anderes, das inzwischen zu einer dieser internationalen Ketten gehörte. Das Nordlanden Hotel lag in der Nähe der Endhaltestelle des Arlanda Express, des Schnellzugs zum Flughafen. Von außen wirkte es schlicht, fast wie ein Bürogebäude, wäre da nicht die protzig vergoldete Drehtür gewesen.
    Mein erster Eindruck war, eine Ausstellung für zeitgenössische schwedische Innenarchitektur zu betreten. Überall in der Halle standen höchst eigentümliche Sitzmöbel herum, von denen sich kaum zwei ähnelten. Eine dunkelbraune Treppe, deren Stufen frei in der Luft zu schweben schienen, schwang sich nach oben. Alles war in Weiß, Hellblau und Dunkelbraun gehalten, auch die Uniformen der Angestellten hinter der Rezeption, die ich mit einiger Mühe im Hintergrund entdeckte.
    Ein junger Angestellter mit spitzer Nase und zurückgekämmtem, feucht wirkendem Haar balzte heftig mit einer Kollegin. Nachdem ich eine Weile an der Theke gestanden und ihm dabei zugesehen hatte, wurde ihm klar, dass ich nicht einfach wieder verschwinden würde, also riss er sich los und erkundigte sich nach meinem Namen.
    »Doktor Forsberg aus Göteborg, richtig?«, fragte er, nachdem er in seinem Computer fündig geworden war.
    Ich nickte säuerlich. »Wenn es da steht …«
    Er musterte meinen Umhängesack, überhaupt meine ganze, ohne Zweifel nicht standesgemäß wirkende Erscheinung. »Ist das, ähm, Ihr ganzes Gepäck?«, fragte er behutsam,

Weitere Kostenlose Bücher