Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Stahltür vor einem und man steht draußen. Während man sich umsieht und ins Licht des späten Vormittags blinzelt, fällt die Stahltür hinter einem ins Schloss, und ein Riegel wird hörbar zugeschoben. Man dreht sich um, sieht das große, graue Stahltor und die große, graue Mauer, und obwohl man bis ins Mark froh ist, draußen zu sein, macht einem die Freiheit erst einmal Angst. Wem jahrelang jeder Schritt vorgeschrieben worden ist, den überwältigt selbst die Entscheidung, nun nach links oder nach rechts zu gehen.
    Ich schloss einen Moment lang die Augen, atmete die schneidend kalte Luft ein und spürte, wie sie in meine Schleimhäute biss. Überwältigen lassen durfte ich mich jetzt nicht. Ich musste klare Entscheidungen treffen, und das schnell. Ich musste handeln.
    Als ich die Augen wieder öffnete, entdeckte ich, dass mir die Qual der Wahl ohnehin abgenommen war. Hans-Olof war da, um mich abzuholen. Sein dunkelgrauer Volvo stand ein Stück weit entfernt an der Straße, die am Stockholm Fängelsen entlangführt.
    Und er war schlau genug, es zu unterlassen, mir für alle Welt unübersehbar zuzuwinken.
    Ich überquerte die Straße, sah dabei umher, entdeckte nichts Verdächtiges, ging die parkenden Wagen entlang und schlüpfte schließlich neben Hans-Olof auf den Beifahrersitz.
    »Ist dir jemand gefolgt?«, war meine erste Frage, während ich den abgeschabten Matchsack mit meinen wenigen Habseligkeiten im Fußraum verstaute.
    Er schluckte überrascht. »Was? Nein. Hoffe ich jedenfalls.«
    »Wie sicher bist du dir?«
    »Wie sicher bin ich …? Keine Ahnung. Ich mache so etwas zum ersten Mal.« Er biss sich auf die Unterlippe. »Ich bin an die zwei Stunden kreuz und quer durch die Stadt gefahren, ehe ich hierher gekommen bin. Ich bin in Parkhäuser rein, habe im Erdgeschoss eine Schleife gedreht und bin wieder raus. Ich habe versucht, als Letzter über rot werdende Ampeln zu fahren, und geschaut, ob mir jemand folgt. Wie man es halt in Filmen so sieht.«
    Ich nickte grimmig. »Das ist doch schon mal was. Fahr ein Stück, auf irgendeinen großen Parkplatz.« Hans-Olof wollte etwas erwidern, aber ich legte nur den Zeigefinger auf die Lippen, und er begriff. Er schien recht viele solcher Filme gesehen zu haben.
    Wir fuhren durch eine platzverschwenderisch angelegte Gegend, die als Freiluftmuseum aller Bausünden des 20. Jahrhunderts hätte herhalten können, und gelangten schließlich an einen Supermarkt mit einem Parkplatz so groß wie das Rollfeld eines Flughafens. Ich dirigierte uns in eine Ecke, wo wir zwischen Recycling-Containern und Einkaufswagen-Unterständen einigermaßen unauffällig parken konnten, stieg dann aus und begann, das Auto nach Wanzen und Peilsendern abzusuchen. Ich bin nun mal ein misstrauischer Mensch und habe meine Gewohnheiten.
    Es war verflucht kalt. Auf dem freiem Gelände ging ein scharfer Wind, dem weder meine alte Jacke noch ich selber gewachsen waren. Während ich mit rasch gefrierenden Fingern die üblichen Stellen abtastete – Kotflügel, Stoßstangen, alles, woran man mit hurtiger Hand und einem Magneten etwas befestigen kann –, überlegte ich, ob es zu den geheimen Strategien des staatlichen Strafvollzugs gehören mochte, das Immunsystem der Gefangenen durch permanente Überheizung der Zellen derart zu schwächen, dass mit ihrer Rückkehr aus einem normalen schwedischen Winter nicht mehr zu rechnen war.
    Nichts. Kein Peilsender, keine Wanze. »Mach die Motorhaube auf«, sagte ich, mir die Hände wieder warm reibend. Hans-Olof gehorchte mit verschrecktem Gesichtsausdruck.
    Nach dem Motor und dem Kofferraum filzte ich noch das Innere des Wagens. Die Mikrofone selbst aufzuspüren ist in einem von Profis verwanzten Fahrzeug am schwierigsten, weil es inzwischen Geräte gibt, die nicht größer sind als Fliegenschiss. Da ich aber in den uneinsehbareren Fahrzeugbereichen kein verdächtiges Stück Kabel und auch keinen Sender entdeckt hatte, hätte nur noch die Möglichkeit bestanden, dass ein Komplettgerät im Innenraum untergebracht war, was aber erstens enttäuschend unprofessionell und zweitens selbst unter Einbeziehung des möglichen technischen Fortschritts in den letzten sechs Jahren von jemandem wie mir mit bloßem Auge und normalem Tastgefühl schnell auffindbar gewesen wäre. Doch ich fand nichts dergleichen. Nach menschlichem Ermessen war der Wagen sauber.
    »Also«, sagte ich, als wir wieder einträchtig nebeneinander saßen. Eine große Werbetafel vor uns pries ein

Weitere Kostenlose Bücher