Der normale Wahnsinn - Roman
wissen schon, starrköpfig und ignorant. Wenn ich ihn nicht so sehr lieben würde, würde ich ihn dafür hassen, ehrlich.
»Das ist nicht fair«, protestiere ich. »Schließlich hat sie die Liste ja nicht öffentlich ausgehängt.«
»Ja, aber es war ihre Liste. Sie hätte einfach vorsichtiger damit umgehen müssen.«
»Ihr Sohn lag im Krankenhaus, und sie war total im Stress. Da konnte niemand von ihr erwarten, alles im Griff zu haben.«
»Du bist ein sehr nettes Mädchen, weißt du«, sagt er. Klingt wie ein Kompliment, aber ich weiß, so ist es nicht gemeint. »Einfach zu nett. Diese Frau hat dir von morgens bis abends die Hölle heißgemacht. Sei doch froh, dass du dieses Miststück endlich los bist.«
»Bitte, Keith, sag so was nicht. Ich hasse dieses Wort.«
Wieder zuckt er die Achseln. »Eigentlich solltest du dich für sie freuen. Hast doch selbst gesagt, sie hätte ihren Sohn so gut wie nie gesehen. Vielleicht hat sie ja jetzt Gelegenheit, ihn endlich mal kennenzulernen und rauszufinden, was er zu seinen Fischstäbchen am liebsten isst.«
»Cameron darf keine Fischstäbchen essen.«
»Was zum Teufel ist falsch an Fischstäbchen?«
»Na ja, die leuchten hellorange, oder nicht? Das kann doch nicht natürlich sein. Sie will einfach, dass er sich gesund ernährt.«
»Hör auf, sie ständig zu verteidigen. Sie ist nicht mehr deine Chefin. Aber keine Sorge, schon bald wirst du ’ne neue Zicke vorgesetzt bekommen, bei der du dich dann wieder einschleimen kannst. Verdammt, wo bleibt eigentlich der Kellner?«
Seit ein paar Tagen ist Keith irgendwie komisch drauf. Man kann kaum mit ihm reden, und nach dem, was letzten Freitag passiert ist, hätte ich wirklich jemanden zum Reden gebraucht. Als ich an jenem Abend nach Hause kam, war ich immer noch ziemlich aufgelöst. Konnte einfach nicht glauben, wie schnell sie Kate gefeuert haben. Und ich konnte auch nicht glauben, dass sie mich nicht gleich mit auf die Straße gesetzt haben. Keith war zwar schon zu Hause, aber ihn hat das alles nicht sonderlich interessiert. »Was ist denn mit dir los?«, hab ich ihn schließlich gefragt. »Nichts«, hat er gesagt, doch am Ende hab ich’s doch aus ihm rausgekriegt: Sie haben Donnerstagabend ein totes Mädchen in den Highgate Woods gefunden, und Keith war einer der Ersten am Tatort. Das war bestimmt kein schöner Anblick. Er sagt zwar, dass ihn so was nicht sonderlich berührt, aber das glaube ich ihm nicht. Das arme Mädchen war gerade achtzehn, oder? Keith hat mir nicht erzählt, was genau ihr zugestoßen ist, weshalb man sich natürlich das Schlimmste ausmalt. Ich hab ihn danach gefragt, doch da hat er mich angebrüllt: »Woher soll ich das wissen? Ich bin doch nur der Trottel, der den Tatort mit Absperrband sichert. Und jetzt lass mich in Ruhe, okay?« Sprach’s und ging ins Fitness-Studio.
Hab ihm am Wochenende dann ziemlich viel Ruhe gegönnt. Die meiste Zeit davon war er im Studio. Na ja, so richtig abschalten kann man in unserer winzigen Wohnung auch nicht. Weshalb wir dringend ein neues Haus in St. Albans brauchen! Aber das Thema hab ich lieber nicht angesprochen. Dachte, eswäre ’ne nette Idee, mal auszugehen und ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen. Das hat mich einiges an Überredungskunst gekostet, aber am Ende habe ich ihn mit einem Curry überzeugen können. Indische Küche ist zwar nicht unbedingt mein Ding, aber Keith steht total drauf. Obwohl: Gerade starrt er Löcher in die Luft und scheint kilometerweit weg zu sein.
»Wen starrst du denn so an, Schatz?«, frage ich.
»Den Typen da«, antwortet er.
»Welchen Typen?«
»Den Dicken in dem grünen Hemd, der da hinten in der Ecke sitzt. Den kenne ich.«
Ich sehe über meine Schulter und entdecke ein Paar, das an einem der Ecktische sitzt. Ihn kann ihn nicht wirklich gut erkennen, aber sie sieht nett aus.
»Ist das ein Kollege von dir?«, frage ich.
»Nein, nur ein Typ, den ich mal an der Haustür verhört hab. Ein ziemlich eingebildeter Affe, wenn du mich fragst. Jetzt sieh dir das mal an! Der Kellner geht zu ihnen! Und das, obwohl die erst nach uns hier angekommen sind. Was muss man eigentlich tun, um in diesem scheiß Restaurant mal bedient zu werden?«
Siobhan : »Der Typ da starrt dich an«, sage ich.
»Welcher Typ?«, murmelt Dom, ohne aufzusehen. »Kann mich einfach nicht zwischen Korma und Pasanda entscheiden.«
»Der Typ am Tisch neben der Küche. Der sieht ein bisschen ungehalten aus. Hast dich vermutlich mal auf seine
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