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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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hatte. Kira dachte in diesem Moment dasselbe. Zumindest sah sie so aus. Ihr Gesicht wurde so weiß wie die Fliesen an der Wand. Sie starrte entsetzt auf die Straße und sah eine Handvoll Kommunarden aus Himmelswang!
    Das darf doch nicht wahr sein , dachte ich und stellte mich unsichtbar. Auch Kira sah aus, als ob sie lieber anderswo gewesen wäre als hier. Sie schloss die Augen und tat ebenfalls so, als wäre sie nicht zu sehen. Aber bei ihr schien es viel weniger gut zu funktionieren.
    »Kira!«
    Ein Schrei war zu hören. Fünf schwäbische Kommunarden stürzten auf Kira zu und fielen ihr um den Hals. Sie wurde geherzt und geküsst, als wäre sie keine davongelaufene und jetzt wiedergefundene Ausreißerin, sondern eine Heldin.
    »Da bist du ja! und wir dachten schon, du hast das Kommunen-Leben satt.«
    »Mensch, Kira, du musst uns genau erzählen, was hier so los ist.«
    Die Vergangenheit hatte sie eingeholt. Und mich auch.
    * * *
    Es gab große Demonstrationen, bei denen über 10 000 Menschen für den Erhalt der Häuser auf die Straße gingen. Durchden öffentlichen Druck geriet die SAGA in Erklärungsnot. Ihr blieb nichts anderes übrig, als immer wieder neue Vorschläge zu machen, wie die Situation entspannt werden könnte. Diese Vorschläge wurden dann diskutiert. Zu einem Vertragsabschluss kam es aber nicht.
    Währenddessen wurden die Barrikaden ausgebaut, die mit der Zeit beinahe unüberwindbar zu werden schienen. Tag und Nacht mussten sie überwacht werden, sodass bei einem unvorhergesehenen Angriff sofort alle von den Wachen alarmiert werden konnten. Meistens waren es Freiwillige, die sich in der Nacht an den Barrikaden die Beine in den Bauch standen oder in alten Sesseln saßen und mit dem Schlaf kämpften.
    Auch Jule und Kira meldeten sich ein paar Mal, um in der Nacht die Barrikaden zu bewachen – aber nur, weil Mike dabei war. Mike war ungefähr so alt wie Kira. Zumindest sah er nicht viel älter aus. Eigentlich war er ein ganz hübscher Bursche, der in einem der anderen besetzten Häuser wohnte und tagsüber fast immer mit den beiden Mädchen zusammen war. Manchmal auch nachts, vor den Barrikaden. Mike hatte einen kleinen Bruder, Jeff, der nie von seiner Seite wich, was Mike natürlich nervte. Ständig versuchte er, Jeff abzuhängen, was ihm aber nur selten gelang. Der Kleine war ein Meister darin, sich unentwegt auf die Fährten anderer zu setzen. So war Jeff fast immer mit dabei, wenn Mike bei Jule und Kira war. Dabei konnte er sich ziemlich unauffällig im Hintergrund halten, sodass er kaum bemerkt wurde.
    Mich bemerkte er allerdings gleich das erste Mal, als er in Kiras Zimmer war. Er schien sich ziemlich für mich zu interessieren. Kira hatte denselben Eindruck. Da sie in Mike verliebt war – sie hätte das natürlich nie zugegeben, aber es war nichtzu übersehen –, schenkte sie mich dem kleinen Jeff, um dem älteren Bruder zu imponieren.
    Mir war das nicht unrecht, da das Leben bei Kira mit der Zeit ziemlich trist wurde. Immer stand ich im abgedunkelten Zimmer, während draußen der Punk abging.
    In Jeffs Obhut änderte sich das schlagartig. Jeff nahm mich immer mit. Da er ziemlich neugierig war, waren wir viel unterwegs. Nicht nur mit Kira, Jule und Mike. Auch alleine machte Jeff sich auf Entdeckungsreise. Irgendwie hatte er es dabei auf den alten Poschmann abgesehen.
    Manchmal heftete er sich den ganzen Tag an seine Fersen. Ich wusste auch nicht, was das sollte. Jeff sagte nur, als könnte er meine Gedanken erraten: »Wart’s ab, irgendwas ist da im Busch.«
    * * *
    So war es auch. Ein paar Tage später traf sich Poschmann, unter den heimlichen Blicken von Jeff und mir, mit einem piekfein gekleideten Mann in einem vornehmen Lokal im Stadtteil Altona. Jeff stand vor dem Restaurant und starrte zum Fenster hinein. Wir fragten uns, was Poschmann, der alte Suff kopp, mit diesem Schnösel vorhatte. Die Antwort kam ziemlich schnell: Der Schnösel schob ein Bündel großer Geldscheine über den Tisch, und Poschmann steckte die Kohle in seine Hosentasche.
    Dann verließ er das Lokal in die eine Richtung, der Schnösel in die andere. Jeff folgte ihm und sah, wie der Typ in einen großen Mercedes stieg und davonfuhr. Auf dem Mercedes klebte an der Heckklappe ein kleines Emblem: SAGA.
    Jeff pfiff durch die Zähne: Poschmann war ein Spitzel der SAGA!
    Jeff war hin- und hergerissen, ob er seine Beobachtungen an die große Glocke hängen sollte. Schließlich erzählte er es seinem älteren Bruder. Der

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