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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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kriegte den Mund nicht mehr zu.
    »Du hast mich doch nicht etwa …«
    »Klar. Ich bin dir eine ganze Weile hinterhergeschlichen!«
    »Aber …«
    »Im Kaufhof wimmelt’s nur so von Aufpassern und Detektiven.«
    »Ich wollte eigentlich gar nicht klauen!«
    »Hahaha, wer will das schon? Aber die Läden rücken das Zeug nun mal nicht kostenlos raus. Und Kohle ist knapp! Also, was bleibt dir anderes übrig, wenn du was essen willst?«
    »Weiß nicht!«
    »Siehste!«
    »Und wie lange klaust du schon?«, fragte Kira.
    »Seit ich … ach, vergiss es. Lass uns über was anderes reden.«
    * * *
    Als wir zurück in St. Pauli waren, in der Hafenstraße, gab es vor dem Haus einen großen Menschenauflauf. Auch auf der Straße standen jetzt junge Leute und diskutierten aufgebracht miteinander.
    »Was ist denn hier los?«, wollte Jule wissen.
    »Die SAGA will mal wieder die Häuser abreißen.«
    »Wer ist denn die SAGA?«, fragte Kira. Ich hatte ebenfalls keine Ahnung.
    »Die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt!«
    »Quatsch, das sind Spekulanten!«, ging ein junger Mann mit sorgsam gepflegtem Irokesenhaarschnitt dazwischen. »Arschlöcher eben!«
    »Da haben sie aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht«, fügte eine junge Frau hinzu und trat dabei ihre Zigarettenkippe aus.
    »Wer ist denn der Wirt?«, wollte Kira wissen.
    »Das sind wir«, sagte Jule.
    »Wer wir?«
    Kira blickte sich auffällig um. Sie schien ernsthafte Verständnisprobleme zu haben.
    »Ich, du und alle, die hier sind.«
    Langsam kam ich dahinter. Kira dagegen schien noch immer auf dem Schlauch zu stehen.
    »Na los, pack schon mit an«, sagte ein vielleicht achtzehnjähriger Junge, der gerade eine alte Matratze ins Haus schleppte. »Allein schaff ich das nicht.«
    Es kamen immer mehr junge Menschen hinzu, die jetzt das Haus in der Hafenstraße in Beschlag nahmen.
    * * *
    Ein paar Stunden später, es war bereits Abend, waren alle Stockwerke und Wohnungen bezogen. Das Haus füllte sich mit ungekanntem Leben. Stimmen, Musik und Gelächter drangen durch das Treppenhaus. Die baufällige Ruine schien plötzlich wieder ungeahnte Energien zu versprühen. In allen Wohnungen tummelten sich Menschen. Wobei viel mehr Mieter auf den einzelnen Etagen wohnten, als normalerweise für ein Mietshaus üblich war. In unsere Etage und Wohnung zogen einige Punks ein. Sie waren nicht viel älter als Jule und Kira, hatten gefärbte Haare und trugen zerrissene Lederjacken, auf denen mit weißer Schrift Parolen und Zeichen standen.
    Macht kaputt, was euch kaputt macht , war da zu lesen, oder: Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom. Das alles klang auf den ersten Blick sehr kampfesmutig und gefährlich, doch auf den zweiten Blick machten die jungen Leute einen eher geselligen, friedfertigen Eindruck. Manche spielten Gitarre und sangen. Wieder war das Lied zu hören, das ich schon aus Jules Kassettenrekorder kannte.
    »… Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran! Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran! Spacelabs fallen auf Inseln, Vergessen macht sich breit, es geht voran! Spacelabs fallen auf Inseln, Vergessen macht sich breit, es geht voran …!«
    Auch Poschmann sang wieder. In seiner Wohnung lagen nun ebenfalls überall alte Matratzen herum, auf denen sich mehrere Jungs niedergelassen hatten, mit denen Poschmann sich sofort verbrüderte.
    »ENDLICH IST HIER MAL WIEDER WAS LOS.«
    Er prostete ihnen zu. Schließlich fing er unter den staunenden Blicken der Jungs wieder zu singen an. Ob das Erstaunen dem alten Poschmann galt oder doch eher den komischen Klängen, die über seine Lippen kamen, schien den Jungs selbst nicht ganz klar zu sein. Am Ende applaudierten sie aber, prosteten sich zu und sangen ihre Lieder, zu denen Poschmann dann tanzte.
    * * *
    Als schließlich alle eingezogen waren, wurden zwei große Transparente, die aus einigen Bettlaken bestanden, im dritten Stock zwischen mehrere Fenster gespannt. Auf dem einen Transparent stand mit rot leuchtender Schrift Dieses Haus ist besetzt! , auf dem anderen Eigentum ist Diebstahl! Aber auch wenn kein Transparent mit der Aufschrift die Botschaft verkündet hätte, wäre die Nachricht von der Hausbesetzung wie ein Lauffeuer durch die ganze Stadt gegangen.
    Die SAGA war, wie man sich vorstellen kann, gar nicht erfreut darüber, dass Leute einfach ihr Eigentum in Beschlag nahmen und sie dadurch hinderten, das Haus abzureißen.
    Nachdem das Haus besetzt war und die Transparente an der Hausfassade

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