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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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sieht man die Menschen fast gar nicht mehr«, sagte Wilhelm. »Als ob sie nicht da wären.«
    »Dafür sehen die uns von unten umso besser«, entgegnete der Graf und fügte grinsend hinzu: »Und wundern sich noch mehr.«
    »Über die fliegende Zigarre!«, platzte es aus Wilhelm hervor, was ihm sofort peinlich war, sodass sein Gesicht rot anlief.
    Das Luftschiff flog bald so hoch, dass die Streichholzschachteln wie Streichholzköpfe aussahen. Dafür konnte man nun große Flächen erkennen.
    »Das sind Felder, Äcker und Wiesen!«, sagte Wilhelm.
    Handtuchgroße Streifen aus Grün, Gelb und Braun. Alle miteinander verbunden, als wären sie zusammengenäht, wie ein Flickenteppich, in den man sich am liebsten kuscheln wollte, so weich sah er von hier oben aus.
    »Da, ein Fußballspiel!«, rief plötzlich eine Frau, die selbst in der Gondel ihren großen Hut nicht abnahm. Sie zeigte auf einen der Flecken tief unten. Ich sah aber kein Fußballspiel. Wilhelm und die meisten anderen auch nicht.
    »Wo denn?«, fragten einige Mitreisende, woraufhin die Frau es zu erklären versuchte.
    »Fußball?«, unterbrach sie ein dicker Mann mit rotem Gesichtund einem Bart, der aussah wie zwei Rattenschwänze, die wie Antennen nach oben zeigten. »Die Deutschen und Fußball! Diese Versager haben sogar gegen die kleine Schweiz verloren.«
    »Warum?«, fragte die Frau mit dem großen Hut.
    »Weil sie nicht spielen können«, sagte der Mann mit dem Rattenschwanzbart verächtlich.
    »Quatsch! Die haben noch nie gegen die Schweiz gespielt«, konterte ein anderer Mann, der ebenfalls ganz rot im Gesicht war und eine dicke Nase hatte mit Poren so groß, dass man Streichhölzer hätte hineinstecken können.
    Der Rattenschwanzbart schaute bitterböse. »Aber sicher! Im April. Am fünften April war das erste Fußballländerspiel der Deutschen, und zwar gegen die Schweiz.«
    »Stimmt!«, mischte sich der verrückte Graf ein. »Aber das haben wir nicht verloren, sondern gewonnen.« Er klopfte dem Mann mit Rattenschwanzbart munter auf den Rücken.
    »Was heißt wir? Haben Sie auch mitgespielt?«
    Der Graf schaute irritiert in die Runde. Die Leute betrachteten ihn aufmerksam, als zweifelten auch sie daran, dass er mit seinen siebzig Jahren überhaupt noch Fußball spielen konnte. Auch ich hatte Schwierigkeiten, mir den Grafen in kurzen Hosen vorzustellen. Wilhelm dachte wohl Ähnliches, denn er kicherte verschämt. Plötzlich schien auch der Graf zu verstehen und sagte mit einem Schmunzeln: »Nein, wir! Ich meine uns, die Deutschen, als Nation.«
    »Ich bin kein Deutscher«, sagte der Mann mit dem Rattenschwanzbart. »Aber verloren haben sie trotzdem! Mit drei zu fünf!«
    »Drei zu fünf stimmt«, erwiderte der Graf. »Aber gewonnen!«
    Der Rattenschwanzbart lachte. »Aber nur, wenn Sie alle fünf Tore geschossen haben!«
    Der Graf war eingeschnappt. »Das muss ich mir nicht bieten lassen! Verlassen Sie auf der Stelle mein Luftschiff!« Er zeigte zur Tür.
    Alle schauten verwundert nach unten. Jetzt sahen sogar die Felder und Wiesen so klein wie Streichholzschachteln aus.
    »Äh … Herr Graf, das mit dem Aussteigen ist im Moment ein bisschen ungünstig«, sagte die Frau mit dem Hut, die die Fußballspieler erkannt haben wollte.
    Jetzt dämmerte auch dem Grafen, dass seine Forderung selbst mit dem allergrößten Willen und der nötigen Entschlossenheit kaum einzulösen war. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und sagte: »Dann eben nach der Landung.«
    »Worauf Sie sich verlassen können!« Der Rattenschwanz verzog sich an das andere Ende der Gondel.
    * * *
    Bis zur Landung vergingen noch ein paar Stunden, in denen der Graf und der Mann mit dem Rattenschwanzbart kein Wort mehr wechselten. Auch die anderen sprachen immer weniger, je länger die Reise dauerte. Einmal sagte die Frau mit dem großen Hut noch: »Das glaubt einem doch niemand!«
    Der dicke Mann mit der roten Nase nickte. »Sie haben recht, gnädige Frau. Für solche Zwecke bräuchte man einen Fotoapparat!«
    »Einen Fotoapparat?«, rief ein Mann, der bisher geschwiegen hatte. »Den können Sie vergessen, der zeigt Ihnen alles nur schwarz-weiß!«
    »Ich bitte Sie!«, sagte der dicke Mann mit der roten Nase.»Wo leben Sie denn? Letztes Jahr wurde die Farbfotografie erfunden.«
    »Was denn?«, sagte die Frau mit Hut erstaunt. »Man kann jetzt auch bunte Fotos machen?«
    »So ist es, gnä’ Frau. Dank Herrn Louis Jean Lumière, einem französischen chemiker, können Sie auf den

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