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Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert

Titel: Der Nussknacker - Reise durch ein Jahrhundert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo
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Fotoabzügen jetzt dasselbe erblicken, was Sie auch mit Ihren bezaubernden Augen sehen.«
    Die Frau mit dem großen Hut schien sich geschmeichelt zu fühlen. Der Mann, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, schwieg von nun an weiter. Der Dicke mit der roten Nase setzte sich sogleich zu der Frau mit dem großen Hut. Er tuschelte mit ihr, wobei die Frau immer wieder kicherte wie ein kleines Mädchen.
    Ich staunte. Wilhelm ebenfalls. Ich über die Frau, Wilhelm wohl mehr über den Erfinder der Farbfotografie.
    Danach wurde fast nichts mehr geredet. Die meisten, außer Wilhelm natürlich, schauten auch gar nicht mehr aus dem Fenster, sondern stierten dumpf und müde vor sich hin. Irgendwann sagte der Mann, der bis dahin wieder geschwiegen hatte, leise und aus heiterem Himmel: »Die Besten sterben zu früh.«
    Die Fluggäste, die noch nicht eingeschlafen waren, schauten ihn verwundert an.
    Der Mann rezitierte:
    »Ritzeratze, voller Tücke,
In die Brücke eine Lücke.
Als nun diese Tat vorbei,
Hört man plötzlich ein Geschrei:
›He, heraus! Du Ziegen-Böck!
Schneider, Schneider, meck, meck, meck!‹
Alles konnte Böck ertragen,
Ohne nur ein Wort zu sagen;
Aber wenn er dies erfuhr,
Ging’s ihm wider die Natur.
Schnelle springt er mit der Elle
Über seines Hauses Schwelle,
Denn schon wieder ihm zum Schreck
Tönt ein lautes: ›Meck, meck, meck!‹
Und schon ist er auf der Brücke,
Kracks! Die Brücke bricht in Stücke;
Wieder tönt es: ›Meck, meck, meck!‹
Plumps! Da ist der Schneider weg!«
    Alle Passagiere schauten andächtig.
    »Max und Moritz«, sagte Wilhelm.
    »Genau!«, erwiderte der Mann. »Und von wem ist das?«
    Wilhelm hatte keine Ahnung. Ich auch nicht. Und die anderen sahen so aus, als würden sie nicht mal Max und Moritz kennen.
    »Wilhelm Busch!«, rief der Mann nach einer Pause, während der alle so getan hatten, als würden sie angestrengt nachdenken.
    »Natürlich! Er lebe hoch!«, riefen die anderen.
    »Leider ist er tot.«
    »Nein!« Die Erleichterung schlug in Entsetzen um.
    »Doch. Wilhelm Busch ist vor Kurzem gestorben.«
    Alle schauten jetzt traurig.
    »VORSICHT! «, brüllte der Graf plötzlich aufgeregt. »IN DECKUNG! «
    Das Luftschiff wackelte und fing an zu schaukeln. Alle warfen sich zu Boden.
    »Dieser verdammte Wind!«, schimpfte der Graf.
    Die Passagiere wurden hin und her geworfen. Ich und Wilhelm ebenfalls. Das Luftschiff wurde immer langsamer, dabei sank es ziemlich schnell. So schnell, dass mir übel wurde.
    »Wir sinken!«, schrie die Frau mit dem großen Hut.
    »Na klar sinken wir«, polterte der Graf. »Oder wollen Sie für immer hier oben in den Lüften hängen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf, dass der Hut wie eine fliegende Untertasse durch die Gondel schwebte und gegen die Scheibe prallte.
    »Alle festhalten!«
    »Da ist ein Baum!«
    »Kann ich doch nichts dafür!«
    »Ein ganzer Wald!«
    »VORSICHT! «
    Das Luftschiff prallte gegen die Bäume, blieb an den Ästen hängen und fing an zu qualmen.
    »ALLES RAUS! SCHNELL! «
    Die Luke ging auf. Alle kletterten aus der Gondel auf einen Baum und an den Ästen und am Stamm nach unten. Ich konnte von oben alles genau beobachten. Ich konnte sogar hören, wie der Mann mit dem Rattenschwanzbart »Komm schnell, mein Junge!«, sagte und Wilhelms Hand nahm. Zusammen verließen sie das Luftschiff, ohne dass Wilhelm mich mitnehmen konnte.
    Ich wollte noch schreien: »Halt, nimm mich mit!«, aber mir blieb die Luft weg, denn es qualmte jetzt so stark, dass die Gondel voller Rauch war. Ich musste husten, keuchen, röcheln.Ich sah nichts mehr, hörte nichts mehr. Ein schwarzer Schleier zog an mir vorüber, und ich fiel in tiefen Schlaf.
    * * *
    »… aus Eichenholz, fein von Hand gearbeitet, um die Jahrhundertwende, neunzehn Zentimeter hoch, ein Einzelstück, sehr ansehnlich, meine Damen, meine Herren, ein Unikum, ein Original!«
    Eine Stimme war zu hören, laut und fordernd wie ein Marktschreier.
    Der redet über mich! , schoss es mir durch den Kopf. Ich riss die Augen auf. Zuerst konnte ich kaum etwas erkennen. Alles war verschwommen. Erst langsam bekam ich den Durchblick zurück. Wie lange ich das Bewusstsein verloren hatte, wusste ich nicht. Die Verschwommenheit löste sich langsam auf, und ich sah wieder klarer. Und war enttäuscht und traurig. Von Wilhelm keine Spur. Das Luftschiff war auch nicht mehr zu sehen. Dafür sah ich einen Mann, der auf einem Podest, das neben einem Tisch stand, auf und ab ging. Und auf dem Tisch stand ich  –

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