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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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verständlich sei: Sie war im Begriff, zweifache Mutter zu werden, obwohl sie selbst noch fast ein Kind war.
    Die zweite aus dem Hubschrauber steigende Person trug einen dunklen Wintermantel: ein sportlich-schlanker Mann, dessen Gesicht auf Vorfahren aus Zentralrussland schließen ließ. Er hielt sich ein Handy ans Ohr und schien ein äußerst wichtiges Gespräch zu fuhren. Im Tower und unter den Moskauer Delegierten erkannte ihn niemand, was kaum überraschte. Im Gegensatz zu der hinreißenden Jekaterina hatte es dieser Mann noch zu keinem Foto in der Presse gebracht, und nur wenige Leute neben den isoliert lebenden Silowiki und Oligarchen kannten seinen Namen. Er war Oleg Rudenko, ein ehemaliger KGB-Oberst, jetzt Chef von Iwan Charkows Sicherheitsdienst. Rudenko selbst hätte als Erster zugegeben, dass dies nur ein nomineller Titel war. Alle Entscheidungen traf Charkow persönlich; Rudenko sorgte bloß dafür, dass die Züge pünktlich fuhren. Daher das ans Ohr gepresste Handy und die grimmige Miene.
    Die Pause zwischen Rudenkos Erscheinen und dem des dritten Fluggasts dauerte 84 Sekunden, wie der Kontrollturm registrierte. Aus dem Hubschrauber trat eine ungewöhnlich kräftig wirkende Gestalt, nicht besonders groß, mit hervortretenden Wangenknochen, der breiten Stirn eines Faustkämpfers und grobem Haar wie Stahlwolle. Jemand aus dem Begrüßungskomitee hielt ihn kurz für einen Leibwächter, was häufig vorkam und Charkow stets im Stillen amüsierte. Diese irrtümliche Annahme wurde jedoch sofort durch den Schnitt seines wundervollen englischen Mantels widerlegt. Und durch die Art, wie seine Hosenbeine mit einem leichten Knick auf den handgearbeiteten Maßschuhen aufsaßen. Und durch die Art, wie seine eigenen Leibwächter seine Gegenwart zu fürchten schienen. Und durch die goldene Uhr von der Größe einer Sonnenuhr an seinem linken Handgelenk.
    Seht ihn euch an, murmelte jemand aus der Moskauer Delegation, seht euch Iwan Borisowitsch an! Die Kontroversen, die Haftbefehle, die Anklagen im Westen – das alles hätte jeder von ihnen gern in Kauf genommen, nur um einmal einen Tag wie Iwan Borisowitsch zu leben. Nur um einmal mit seinen Hubschraubern zu fliegen, in seinen Limousinen zu fahren. Und um einmal mit Jekaterina ins Bett gehen zu dürfen. Aber weshalb das Stirnrunzeln, Iwan Borisowitsch? Heute ist doch ein Freudentag. Heute ist der Tag, an dem Ihre Kinder aus Amerika heimkehren.
    Er ging mit großen Schritten übers Vorfeld, Jekaterina an einer Seite, Rudenko an der anderen, alle drei von Leibwächtern umgeben. Der Delegationsleiter, Vizeaußenminister Soundso aus der Abteilung X-Ypsilon, kam ihm auf halbem Weg entgegen. Ihr Gespräch war kurz und allem Anschein nach unfreundlich. Danach zogen sich beide in ihre jeweiligen Ecken zurück. Als der Vize gefragt wurde, was Iwan Borisowitsch gesagt habe, wollte er nicht mit der Sprache herausrücken. Das lasse sich in anständiger Gesellschaft nicht wiederholen.
    Seht ihn euch an! Seht euch Iwan Borisowitsch an! Den teuren amerikanischen Hubschrauber, die schöne junge Frau, das viele Geld. Und dennoch war und blieb er ein KGB-Ganove. Ein KGB-Ganove in einem teuren englischen Maßanzug.
     
    Wie Oleg Rudenko hatte Adrian Carter in diesem Augenblick einen Telefonhörer am Ohr, der eine abhörsichere Verbindung zum Global-Operations-Center in Langley herstellte. Auch Schamron hatte einen Hörer am Ohr, war aber mit der Operationsabteilung am King Saul Boulevard verbunden. Er starrte auf eine der Wanduhren, während er gegen den fast lähmenden Wunsch nach einer Zigarette ankämpfte. Rauchen war hier unten im Lageraum streng verboten. Anscheinend auch das Reden, denn Carter hatte seit Minuten kein Wort mehr gesagt.
    »Nun, Adrian? Ist er da oder nicht?«
    Carter nickte energisch. »Der Späher hat es gerade bestätigt. Charkows Hubschrauber stehen auf dem Boden.«
    »Wie lange dauert es noch, bis das Flugzeug landet?«
    »Sieben Minuten.«
    Schamron sah auf die Moskauer Uhr: 8.53.
    »Sie machen es ziemlich spannend, was?«
    »Alles im grünen Bereich, Ari.«
    »Sorgen Sie nur dafür, dass die Störsender um fünf nach neun eingeschaltet werden, Adrian. Keine Sekunde früher, keine Sekunde später.«
    »Keine Sorge, Ari. Keine Telefongespräche für Charkow. Keine Telefongespräche für irgendwen.«
    Schamron sah erneut auf die Uhr: 8.54.
    Lautlosigkeit, Geschwindigkeit, Timing …
    Jetzt brauchten sie nur noch etwas Glück.
     
    Wenn Uzi gewusst hätte, was

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