Der Orden
ein Labyrinth aus mit Ziegelsteinen verkleidetem Gussgestein, das in die terrassierten Hänge eines Hügels hineingebaut war. Regina merkte, wie ihre Nervosität wuchs. Hier gab es Amtsstuben, Läden und Gerichtssäle auf vielen Ebenen, alle durch Treppen, Straßen und überwölbte Gänge miteinander verbunden. Es war verwirrend. Aber auch hier deuteten einige Anzeichen darauf hin, dass dieser Komplex bessere Tage erlebt hatte, denn sie sahen vergleichsweise wenige Menschen, dafür aber viele mit Brettern vernagelte und sogar ausgebrannte Läden.
Amator schien es jedoch überdurchschnittlich gut zu gehen. Sein Zuhause auf einer der oberen Ebenen des Komplexes erwies sich als imposante Wohnung hinter einer Bäckerei. Im Laden herrschte Hochbetrieb, und verlockende Gerüche gingen von den großen Steinbacköfen aus.
Ein Diener kam durch den Laden und führte sie in das Haus dahinter. Er war ein sechzehn- oder siebzehnjähriger Jüngling mit plumpen, weichlichen Zügen. Als er vor ihnen herging, stieg ihnen ein leiser Hauch von Parfüm in die Nase.
Im Innersten des Hauses scharte sich eine Reihe von Räumen um ein kleines, gefliestes Atrium, das von einem ins Dach geschnittenen Lichtschacht erhellt wurde. Am anderen Ende des Atriums führte ein schmaler Durchgang zwischen größeren Gemächern hindurch – einem Arbeitszimmer und einem großen, luxuriös aussehenden Speiseraum – und hinaus in einen Garten, der auf drei Seiten von schlanken Säulen umringt war und einen Blick nach Süden über die Stadt bot. Das Haus selbst war nicht groß, gemessen an Reginas Villa – aber andererseits befanden sie sich hier in Rom, und sie wusste, wie viel teurer Raum hier war.
Trotz eines kleinen Brunnens mit der Statue irgendeiner Meeresgöttin machte dieser Garten, peristylium genannt, an sich nicht übermäßig viel her. Das Bemerkenswerte an ihm war jedoch, dass er vollständig auf dem Dach der Wohnung darunter angelegt worden war. Brica bohrte mit einer sandalenbewehrten Zehe im Gras nach dem Boden.
Amator kam zu ihnen heraus. »Willkommen, Regina…« Seine Stimme war noch so tief und klangvoll wie damals, und Regina verspürte eine unwillkommene Erregung tief drinnen im Bauch, als hätte ihr Körper seine eigenen Erinnerungen bewahrt. Aber sein Anblick schockierte sie.
Er war ein paar Jahre älter als sie und jetzt Mitte fünfzig. Seine schmale Gestalt war in eine purpurgesäumte Toga gehüllt, die er zweifellos trug, um sie zu beeindrucken. Aber er war hager geworden. Sein Gesicht war nicht mehr so voll wie früher; an Wangen und Kinn sah man nun spitze Knochen. Und sein Schädel war vollständig kahl – sogar seine Augenbrauen waren verschwunden, wie sie überrascht feststellte. Zwei Linien bläulich verfärbter Haut zeigten allerdings, wo sie gewesen waren.
Sein Diener, der parfümierte Jüngling, wich ihm nicht von der Seite. Er schaute unsicher und nervös drein.
Regina hielt Amator die Hand hin, und er streifte sie mit den Lippen. »Es freut mich zu sehen, dass es dir gut geht«, sagte sie. »Aber du hast dich verändert.«
Er zog einen Schmollmund, und sie sah, dass seine Augen so schwarz und tief wie eh und je waren. »Sprichst du von meinem Haar? Man merkt, das du gerade erst angekommen bist«, sagte er trocken. »Du klingst so provinziell! Ganzkörperenthaarung ist momentan groß in Mode. Natürlich findet man heutzutage keinen Barbier, der das richtig kann. Aber Sulla hier ist ein Fachmann mit seinen Wachspackungen, wenn auch ein wenig ungeschickt mit der Pinzette.«
»Und vielleicht genießt du ja auch die kleinen Schmerzen, nicht wahr?«
Er legte den Kopf schief, und ein Lächeln zupfte an den Winkeln seines kleinen Mundes. »Du hast nichts von deinem Scharfsinn verloren, kleines Huhn.«
Die Reaktion des Dieners auf diesen Wortwechsel war komplex. Er war errötet, als Amator von ihm gesprochen hatte, aber jetzt taxierte er Regina beunruhigt.
Sie sind ein Liebespaar, erkannte Regina plötzlich. Und dieser Rotzlöffel versucht herauszufinden, ob ich seine Position bedrohe. Sie musterte den Jungen ohne Mitleid. Er trug eine goldene bulla um den Hals, eine Kapsel, die seine freie Geburt symbolisierte und normalerweise von der frühesten Kindheit bis zum Mannesalter getragen wurde. Er schien zu alt für ein solch kindliches Symbol zu sein, und sie fragte sich, ob Amator Wert darauf legte, dass sein Gefährte jung blieb.
Selbst wenn Amator Männer gegenüber Frauen bevorzugte, leuchtete etwas von dem
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