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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gerätschaften, die sich Regina sogleich nur sparsam zu benutzen schwor, weil sie überzeugt war, dass sie die insula und den ganzen Stadtteil in Brand stecken würden und Brica und sie in dem Feuer den Tod fänden. Selbst in diesem beengten Rahmen wirkten ihre wenigen, im Dunon hergestellten Habseligkeiten erbärmlich und provinziell. Aber Regina packte die drei matres aus und richtete ein improvisiertes lararium in einer Ecke des Raumes ein.
    Die Gerüche aus der Gaststube drangen bis zu ihnen herauf, und bald waren sie beide sehr hungrig. Regina ging wieder die Treppe hinunter. Bei den angebotenen Speisen handelte es sich in erster Linie um gekochtes Fleisch, das jedoch stark mit Pfeffer, Fischsoße und Knoblauch gewürzt war – aber sie hatte kein Geld dafür. Sie ging zu den Ständen auf der Straße und kaufte ein wenig Brot und gesalzenes Fleisch sowie einen kleinen Krug Wein.
    Brica hatte sich bereits auf ihrem Bett zusammengerollt und die Knie an die Brust gezogen. So wartete sie auf ihre Mutter. Als Regina zurückkam, schien sie sich überhaupt nicht bewegt zu haben.
    In ihrer kleinen Kammer aßen sie das Brot und versuchten, die verführerischen Düfte von unten zu ignorieren. Regina ließ den Familiengöttinnen, die klobig in ihrer Ecke dieses fremden, unfreundlichen kleinen Raumes standen, ein wenig von ihrem armseligen Brot und Wein übrig.
    In den folgenden Tagen versuchten sie sich einzugewöhnen.
    Die Gaststube hatte ihre eigene Wasserversorgung und war auch an die Kanalisation angeschlossen, die Wohnungen darüber jedoch nicht. Jeden Tag musste man ein paar Straßen weiter an einem Brunnen, vor dem immer eine Schlange stand, Wasser holen. Und jeden Morgen musste man seine Eimer zu einer Senkgrube im Keller der insula hinuntertragen – sofern man sich dazu bewegen ließ. Einige der weniger mit Gemeinsinn gesegneten Bewohner der insula pflegten ihre Exkremente tagelang bei sich aufzubewahren und entfernten sie erst, wenn die Proteste ihrer Nachbarn wegen des Gestanks sie dazu zwangen. Und andere, noch Faulere kippten sie einfach mit einem Warnruf an etwaige unglückliche Passanten drunten aus dem Fenster.
    Als Alternative zum Nachtgeschirr in ihrem Zimmer gab es einen Block entfernt eine öffentliche Latrine. Sie erwies sich als langes, dunkles Gebäude, in dem zwei Wände von dutzenden von Menschen gesäumt wurden, die über direkt ins Abwassersystem führenden Löchern hockten. Der Gestank war infernalisch. Obwohl sie eigentlich keine Intimsphäre gewohnt war – in einem Rundhaus gab es keine abgeteilte Latrine –, fiel es Regina schwer, ihre Gedärme vor so vielen Fremden zu entleeren, die alle schwatzten und lachten, herumgingen und einander etwas zuriefen; und die Kinder, die halb nackt zu Füßen der Erwachsenen herumliefen, waren noch störender. Aber es war ein seltsam fröhlicher Ort, fand sie, voller Klatsch und Gelächter: offenbar ein Zentrum der Gemeinschaft, ein Palast aus Scheiße und Pisse.
    In Rom, so lernte Regina sehr bald, war alles in feste Kategorien unterteilt. Es gab starre Trennlinien zwischen den sozialen Schichten, von den alten Senatorenfamilien bis hinab zu den Sklaven. Und die Kluft zwischen Reich und Arm war gewaltig.
    Arme und Reiche gab es natürlich überall, sogar in Artorius’ Dunon. Aber hier in Rom gab es Familien, die tausend Jahre lang Reichtümer angehäuft hatten. Angeblich hatten einst nur zweitausend Personen fast das gesamte kultivierte Land im westlichen Imperium besessen, von Italien bis Britannien. Obwohl Rom sich innerhalb seines Mauervorhangs über eine gewaltige Fläche ausbreitete, gab es so viele öffentliche Basiliken, Zirkusarenen, Tempel, Gärten, Bäder und Theater und so viele private Anwesen, angefangen mit den Palästen und Gärten des Kaisers, dass es wirklich kein Wunder war, dass die meisten Menschen in den wackligen Wohnblocks wohnen mussten und in jeden verfügbaren Raum gepfercht wurden.
    In Rom war es niemals still, nicht einmal während der dunkelsten Stunden. Ständig hörte man die lauten Stimmen der Viehtreiber und Fuhrleute, den tumultartigen Lärm der Tavernen, von denen manche nie schlossen, und die möwenartigen Rufe der Nachtwächter. Und gar zu bald kam dann der Morgen, wenn die Nachbarn ihren Tag mit Klappern und Scheppern, Gelächter und Geschrei und sogar lautstarken Liebesakten begannen – Geräusche, die man durch die dünnen Wände nur allzu gut hörte. Ein Mann in der Wohnung unter ihnen rief morgens gleich als

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