Der Orden
Erstes mit einer wahren Stentorstimme auf die Straße hinunter und verlangte nach Wasserträgern.
Bei den Römern gab es ein Sprichwort: Es kostet Geld, hier zu schlafen. Das stimmte.
An ihrem ersten Nachmittag schickte Regina einen Jungen mit einer Botschaft zu Amators Haus. An diesem Tag bekam sie keine Antwort auf ihre Nachricht, am Tag darauf auch nicht, und Regina fing an, sich Sorgen zu machen. Sie hatte nicht vergessen, wie sie nach jener Nacht in den Bädern von Verulamium auf Amators Besuch gewartet hatte, auf eine Botschaft, die nie gekommen war; und sie hasste es, erneut in dieselbe Position zu geraten. Außerdem hatte es Ceawlins ganzes restliches Geld bis auf ein paar Bronzemünzen gekostet, das Zimmer für ein paar Nächte zu mieten. Sie konnten es sich nicht leisten, lange zu warten.
Am dritten Tag kam jedoch ein Diener zu ihnen und vermeldete, Amator sei bereit, sie zu treffen.
So kam es, das Brica und Regina an diesem Nachmittag die Stadt durchquerten. Regina schritt beherzt aus, aber Brica ging mit gesenktem Blick und einer feinen Tuchmaske über dem Gesicht dahin.
Es war ein langer und schwieriger Fußmarsch. Auf den Straßen herrschte so reger Verkehr, dass sie kaum durchkamen. Die unteren Etagen der Wohnhäuser waren Läden, Tavernen und Lagerhäusern vorbehalten, und an Ständen auf der Straße bekam man alles von Kleidung über Wein bis zu warmen Mahlzeiten. Dann gab es die Straßenkünstler – Jongleure, Schlangenbeschwörer, Akrobaten. An einer Stelle rasierte ein Barbier stoisch die Wangen eines beleibten, wohlhabend aussehenden Bürgers; er hielt ein essiggetränktes Spinnennetz in der Hand, um das Blut der vielen Schnitte zu stillen, die er ihm zufügte. All diese Unternehmungen machten die Straßen, auf denen es ohnehin schon von Kutschen, Karren, Lasttieren, von Sklaven getragenen Sänften und Reitern wimmelte, noch schmaler. Das Pflaster war schmutzig, übersät mit Abfall und Abwässern. In den größeren Straßen trugen offene Gräben die Abwässer zu tief im Boden vergrabenen Rohrleitungen, die letztendlich in den geduldigen Tiber mündeten. Unterdessen liefen schmutzige Kinder um die Räder der vorbeifahrenden Kutschen, und Hunde schnüffelten in dem Abfall, der sich in jeder geeigneten Ecke türmte.
Aber die Menschen schoben sich munter durch das Gedränge und plapperten unablässig in ihrem flüssigen, schnellen Latein – obwohl es überraschend stark von anderen Sprachen durchsetzt war. Regina hatte geglaubt, es müssten Barbarensprachen sein, aber sie erfuhr, dass man inmitten dieses Sturzbachs die Sprachen einiger Gründungsvölker Roms vernehmen konnte, der Etrusker und Sabiner, Überbleibsel längst vergangener Zeiten.
Wie sich herausstellte, lag Amators Haus im so genannten Trajansforum, einem imposanten Gebäudekomplex.
Sie betraten ihn durch einen haushoch über ihnen aufragenden Triumphbogen, der die riesige Bronzeskulptur eines sechsspännigen Streitwagens trug. Eine zentrale Piazza wurde von einer riesigen, vergoldeten Statue des Kaisers Trajan – hoch zu Pferde – beherrscht. An einem Ende der Piazza stand eine gewaltige Basilika, ein monströser Marmorberg voller Amtsstuben und Gerichtssäle mit einem hohen Säulenvorbau aus grauem Granit. Er hätte die Basilika von Verulamium mit Sicherheit komplett in sich aufnehmen können. Und hinter dem Dach der Basilika erhob sich eine Statue auf einer gewaltigen Säule, wie Regina sah – eine weitere Darstellung Trajans, der offenkundig ein mächtiger Kaiser gewesen war und noch immer hochmütig auf die Bürger der von ihm erbauten Stadt hinabschaute, Jahrhunderte nach dem belanglosen Vorfall seines Todes. Der ganze Komplex war zu groß, irgendwie überdimensioniert, als wäre er für Götter erbaut und hier in diese Menschenstadt gesetzt worden.
Das Dach der Basilika wies jedoch Spuren eines Brandschadens auf, und auf dem Marmorboden der Piazza drängten sich schäbige Marktstände. Viele der Kauflustigen trugen den protzigen Schmuck, die Fellumhänge und bunt gemusterten Tuniken und Hosen von Barbaren, von Germanen und Vandalen, Hunnen und Goten. Nur wenige von ihnen bemerkten die in Stein gehauenen Figuren besiegter Barbaren, die oben von den Säulen rings um die Piazza herabschauten, Bilder der Vorfahren dieser selbstbewussten Kauflustigen, Symbole einer arroganten Vergangenheit.
Zu beiden Seiten der Piazza gingen exedrae ab, riesige, halbrunde Höfe, und Regina führte Brica in einen davon. Sie betraten
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