Der Orden
Bräutigam und ihren Brautjungfern weg. Castor folgte ihnen unsicher. Sie liefen zuerst zu dem kleinen Schrein, wo Regina die drei matres an sich nahm, dann zum peristylium.
Hier hatte Regina eine kleine Falltür eingebaut. Sie zog eine Grassode weg und holte einen Schlüssel heraus, den sie unter ihrem Kleid trug. Das komplizierte Schloss klemmte – vielleicht war es eingerostet –, aber unter Zuhilfenahme beider Hände gelang es ihr, seinen schweren Mechanismus zu betätigen. Dann klappte sie mit Bricas Hilfe die Falltür hoch. Unter ihnen gähnte ein schwarzer Schacht mit Eisensprossen in der Wand.
Brica schaute nervös hinein. »Was ist das?«
»Ein sicherer Ort.« Sie sah, dass Castor eine Fackel hatte, und riss sie ihm aus den Händen. »Castor. Bleib hier. Bewache diesen Ort. Lass niemanden hier hinunter. Noch nicht.«
»Aber…«
»Deine Gemahlin wird hier in Sicherheit sein. Wirst du tun, was ich sage?«
»Ja, Herrin.«
»Folge mir, Brica.« Mit hoch erhobener Fackel stieg Regina die Eisensprossen hinunter. Mit einer freien Hand war das gar nicht so leicht, und sie kam sich steif, schwerfällig und unbeholfen vor; sie wurde allmählich zu alt für solche Abenteuer. Aber Brica folgte ihr.
Am Fuß des Schachts stand Regina in einem überwölbten Tunnel mit Wänden aus Mörtel und Ziegelstein, in die kleine Kammern, Borde und Nischen eingelassen waren, als hätte sie einen riesigen Schrank betreten. Die Decke befand sich nur ein kleines Stück über ihrem Kopf, und mit ausgestreckten Armen hätte sie beide Wände zugleich berühren können. Dieser Tunnel war nur ein Teil eines gewaltigen, in den weichen Stein gehauenen Labyrinths aus Gängen und Kammern. Alles war vom Rauch von Fackeln und Kerzen geschwärzt, und es roch nach Feuchtigkeit und Fäulnis.
Brica betastete ihr Kleid. Es war mit schwarzem Schlamm beschmiert. »Ich bin schmutzig«, murmelte sie.
Regina hörte einen Hauch von Belustigung in der Stimme ihrer Tochter. Sie umarmte sie kurz. »Ich glaube kaum, dass deine Hochzeitsprozession heute noch stattfinden wird. Außer du möchtest, dass ein paar schwarz angemalte Barbaren daran teilnehmen…«
Brica ging langsam den schmalen Gang entlang. Die Wände waren mit Symbolen bemalt – Lamm, Fisch, Hirte, christliche Symbole –, und die Nischen enthielten Dinge wie Lampen und Glasgefäße – und viele, viele in gekalktes Tuch gehüllte Leichen, die teilweise schon mehrere hundert Jahre alt waren. »Was ist das für ein Ort?«
»Eine Katakombe. Ein christlicher Friedhof aus der Zeit der Verfolgungen. Sie haben solche unterirdischen Räume gegraben, um ihre Toten ungestört bestatten zu können. Der damalige Eigentümer des Anwesens muss mit ihnen sympathisiert haben. Hier an der Via Appia gibt es viele solche unterirdische Höhlen.«
»Und du glaubst, dass wir hier in Sicherheit sind?«
»Die Barbaren sind keine Römer«, sagte Regina. »Sie werden nicht einmal wissen, dass es diese Höhlen gibt. Und falls doch, werden sie sie zugunsten der oberirdischen Paläste und Kirchen ignorieren, die leichter zu plündern sind. Als ich diesen Ort entdeckte, war mir sofort klar, wie nützlich er ist, und so habe ich Zugänge vom Haus aus anlegen lassen. Damit habe ich Arbeiter von außerhalb der Stadt betraut – ich glaube kaum, dass wir verraten werden.«
»Du warst schon immer sehr weitsichtig, Mutter«, sagte Brica trocken. »Wir müssen die anderen holen.«
»Das mache ich schon«, sagte Regina scharf. »Du bleibst hier. Wenn sie kommen, werden sie verwirrt und ängstlich sein. Und betrunken! Organisiere sie, beruhige sie. Ich verlasse mich auf dich, Brica. Schau – hier sind Lebensmittel, aus diesem Hahn kommt ein bisschen Wasser, und dort findest du Fackeln.«
Brica nickte. »Ich verstehe.«
»Gut.« Regina stieg eilig wieder nach oben.
Julia und die Älteren hatten bereits eine halbwegs ordentliche Schlange vor dem klaffenden Loch im Boden gebildet, vor dem Castor immer noch geduldig Wache hielt.
Regina stieg auf eine niedrige Mauer und klatschte in die Hände, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Wir können nur die Kinder und ein paar Frauen mitnehmen. Julia, du steigst zuerst hinunter und hilfst Brica. Dann die Kinder, die Kleinsten zuerst. Wenn wir Mütter aufnehmen können, werden wir es tun. Gatten und Väter, bitte geht nach Hause. Ich weiß, ihr alle kennt eure Pflicht.«
Sie schaute in düstere, bleiche Gesichter. Einige stimmten mit ernstem Nicken zu.
Die Kinder
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