Der Orden
sicherzustellen.
Julia, Helena und die anderen Älteren überließen Regina nur allzu gern die Leitung des ganzen Unternehmens, aber es war eine Kleinigkeit im Vergleich zu der schwierigen Aufgabe, Artorius’ Dunon und sein chaotisches Königreich zu verwalten. Sie führte bald ihre eigenen kleinen Innovationen ein. So blieb sie beispielsweise bei ihrem keltischen Kalender; trotz ihrer früheren Einwände gegen seine obskure barbarische Herkunft hatte sie sich mittlerweile an die ihm zugrunde liegende Denkweise gewöhnt.
Und sie freute sich, dass sie mit ihrer neuen Arbeit ihre eigenen Ziele erreichte. Noch nie hatte sie ein solches Ausmaß an Kontrolle über ihre Lebensumstände gehabt – und noch nie eine so gute Gelegenheit, Schutz und Sicherheit für Brica und sich selbst zu erlangen. Tatsächlich war der von ihren Verwandten beherrschte Orden in gewissem Sinn selbst schon wie eine Erweiterung ihrer Familie.
Für Julia interessierte sie sich allerdings kaum.
Nach jener ersten Begegnung mit ihrer Mutter und nach dem Umzug auf das Anwesen schien es, als hätte sich in ihrem Innern die Anspannung gelöst. Diese introvertierte alte Frau hatte wenig mit Reginas lebhaften Erinnerungen an die Kindheit gemein. Manchmal merkte sie jedoch, wie Julia sie betrachtete, als hätte ihre Ankunft längst begraben geglaubte Gefühle von Schuld oder Reue ausgelöst. Falls dem so war, würde Regina keine Tränen vergießen.
Und Julia war ohnehin nicht das Zentrum der Familie. Sie war es – sie und die matres, die jetzt bei ihr waren, so wie immer.
Der Tag der Feiern brach mit schlechten Nachrichten an.
Der letzte Angriff der Barbaren auf Rom war vor nur drei Jahren erfolgt, in Gestalt der Hunnen unter ihrem gedrungenen, brutalen Anführer Attila, der »Geißel Gottes«. Papst Leo hatte Attila in seinem Hauptquartier aufgesucht und ihn überredet, die Stadt zu verschonen. Doch jetzt schien nicht einmal der Papst einen Weg zu finden, die Vandalen zur Umkehr zu bewegen.
Trotz der unheildrohenden Nachrichten war Regina entschlossen, die Feiern wie geplant durchzuführen.
Sie hatten schon am Vorabend begonnen, als Brica in Reginas Zimmer kam. Es war traditionell üblich, dass eine Braut die Überbleibsel ihrer Kindheit – ihr Spielzeug und ihre Kinderkleidung – den Göttern des lararium überantwortete. Da jedoch nichts aus Bricas Kindheit den Weg nach Rom gefunden hatte, schnitten sie ihr eine Haarlocke ab, banden sie zusammen und verbrannten sie vor den matres. Mutter und Tochter verbrachten wie schon so oft einen ruhigen Abend, bei dem sie kaum ein Wort miteinander sprachen, und gingen früh schlafen.
Am Morgen halfen Regina und ihre Mutter Brica bei den Vorbereitungen für die Hochzeitszeremonie. Bricas Haar wurde auf eine alte römische Weise frisiert, wobei sechs Strähnen durch eine gebogene eiserne Speerspitze getrennt wurden. Sie trug ein schlichtes, saumloses Kleid in der Art einer Tunika mit einem Wollgürtel um die Taille und darüber einen Umhang in sanftem Safrangelb; als Kopfputz diente ein orangefarbener Schleier. Regina beschwor für einen kurzen Moment die Heiterkeit und Schönheit des Mädchens in den britannischen Wäldern herauf, und das harte alte Herz wurde ihr schwer bei dem Gedanken, was sie ihrer Tochter hatte antun müssen.
Der Morgen war noch jung, als der Bräutigam und seine Familie eintrafen.
Castor war der Sohn von Sklaven und folglich als Sklave geboren. Er war erst vor kurzem freigelassen worden und hatte mit seinen Einkünften seine Mutter und seinen Vater freikaufen können. Beide Elternteile trugen jedoch noch Schildchen aus gehämmertem Zinn um den Hals, das ehemalige Zeichen ihrer Knechtschaft, augenscheinlich ein Akt perversen Stolzes. Sie blieben für sich und sprachen wenig mit Regina oder den anderen Älteren der Gemeinschaft.
Die Zeremonie selbst wurde unverzüglich abgehalten. Helena, Reginas Tante, fungierte als Brautführerin. Sie nahm jeweils die rechte Hand der Brautleute in ihre eigenen zerbrechlichen Finger. Im peristylium wurde ein kleines Ferkel geopfert, dann folgte die Unterzeichnung und Besiegelung von Verträgen, die die Übergabe der Mitgift festschrieben. All dies wurde von so vielen Schülerinnen der Gemeinschaft bezeugt, wie in das Atrium passten. Manche von ihnen waren gerade einmal fünf Jahre alt, und Regina fand, dass die kichernde, atemlose Masse aus Neugier und Ungeduld der Zeremonie Fröhlichkeit und Licht verlieh, geradeso wie bunte Blumen.
Die
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