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Der Orden

Der Orden

Titel: Der Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
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paar Schlucken beschichtet hatten, und war der krönende Abschluss nach dem Wein im Restaurant.
    In dieser Nacht war der Himmel versmogt und von einem schwachen, grau-orangefarbenen Lichtschein erhellt. Die Lampen, welche die Monumente im Forum und das riesige, protzige Nationaldenkmal beleuchteten, spendeten jede Menge Licht. Um uns herum ragten die Mauerwände der Trajans-Märkte auf.
    Ich hatte ein paar Spaziergänge durch die Trajans-Märkte unternommen. Sie versetzten mich in Erstaunen. Man konnte nicht behaupten, dass die Ruinen attraktiv waren: ein Berg aus Mauerwerk, Straßen, zerstörten Kuppeln und kleinen Eingängen. Aber sie waren ein Einkaufszentrum gewesen. Die kleinen Baueinheiten – alle ordentlich nummeriert und auf mehreren Ebenen hinter Säulengängen oder in gerundeten Fassaden errichtet, die den Georgianern alle Ehre gemacht hätten – waren genau wie eine moderne Anlage geplant und vermietet worden.
    »Das ist das Verblüffende daran«, sagte ich zu Peter. »Dieses Gelände hat nichts Mittelalterliches an sich – im Gegensatz zu den Zentren britischer Städte. Alles ist geplant, in hübschen Bogen und geraden Linien angelegt. Das Forum sieht antik aus, aber du weißt schon, was ich meine. Säulen und Tempel, genau wie bei den alten Griechen. Aber die großen Paläste sehen aus wie die Ruinen des Weißen Hauses. Und diese Märkte erinnern mich an die Ruinen von Milton Keynes.« [i]
    »Nur dass Milton Keynes nicht so lange bestehen bleiben wird wie römisches Mauerwerk. Die hatten dort keine Sklaven, die den Beton so gut gemischt haben.«
    »Im frühen Mittelalter diente diese Anlage als Festung. Vom Einkaufszentrum zur Barrikade.«
    Er nickte nachdenklich. »Niedergang und Fall, hm? Aber an ein paar Knotenpunkten in der römischen Geschichte hätten die Dinge einen anderen Verlauf nehmen können.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel beim Verlust Britanniens. Wäre nicht nötig gewesen. Britannien war nicht bloß irgendein Grenzposten. Das Meer schützte es vor dem Druck der Barbaren – jedenfalls meistens –, und im Innern herrschte meistens Frieden. Jahrhundertelang war es eine wichtige Quelle von Weizen und Waffen für die Truppen in Gallien und Germanien, und mit den Truppenreserven in Britannien wäre es möglich gewesen, die Niederlagen in Westeuropa rückgängig zu machen. Selbst nach den Katastrophen im frühen fünften Jahrhundert hätten die Kaiser durch die Rückeroberung Britanniens das gesamte Westreich stabilisieren können. Vielleicht hat deine Oma das ja irgendwie begriffen.«
    »Falls sie je existiert hat.«
    »Falls sie existiert hat. Na ja, sie war die Tochter eines Bürgers und die Enkelin eines Soldaten. Wenn man in großen Zeiten lebt, in entscheidenden Zeiten, weiß man es, auch wenn man nur einen kleinen Teil davon sieht.«
    »Glaubst du, diese Geschichte von Regina könnte wahr sein?«
    »Also, ich habe das Buch gelesen. Es ist plausibel. Die Ortsnamen sind authentisch. Durnovaria ist das heutige Dorchester, Verulamium St. Albans, Eboracum York. Einige der Details klingen ebenfalls glaubwürdig. Das alte keltische Samhain-Fest ist zu Halloween mutiert… Das Problem ist, dass sowieso niemand viel über den Zerfall des römischen Britannien weiß. Es war jedenfalls nicht so wie auf dem Kontinent, wo die barbarischen Kriegsherren die alten Reichsstrukturen aufrechterhalten wollten, nur mit ihnen selbst an der Spitze. In Britannien hatten wir die Sachsen – es war eine Apokalypse, als durchlebte man einen Atomkrieg. Ironischerweise sind die Geschichte und die Archäologie gerade deshalb so lückenhaft.«
    Ich nickte und trank noch einen Schluck limoncello. Die Flasche war schon fast leer. »Und wenn das Imperium bestehen geblieben wäre…«
    Er zuckte die Achseln. »Rom hätte im siebten Jahrhundert die Expansion des Islam und im dreizehnten die Mongolen abwehren müssen. Aber seine Truppen wären besser mit der Goldenen Horde fertig geworden als seine mittelalterlichen Nachfolger. Es hatte fortbestehen können. Die östliche Hälfte hat es geschafft.«
    »Kein dunkles Mittelalter.«
    »So ein Reich bringt immer Stabilität. Eine feierliche Ruhe.
    Stattdessen gab es einen geräuschvollen Zusammenprall junger Völker.«
    »Kein Feudalismus«, sagte ich. »Keine Barone. Kein Rittertum. Und keine englische Sprache. Wir würden alle irgendeine Spielart von Latein sprechen, wie Französisch oder Spanisch…«
    »Keine Renaissance, da kein Bedarf danach. Aber auch die

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