Der Orden
eine weitere einschneidende Veränderung bevor.
Nach ihrem demütigenden Erlebnis mit den Soldaten flüchtete sich Regina zu Cartumandua.
Carta kochte gerade eine in Stroh eingepackte Schweinelende. Sie hatte einen großen Eisenkessel an einem Dreibein aufgehängt und lud mit einer Zange glühend heiße Steine von der Feuerstelle hinein; sie zischten, wenn sie mit dem Wasser in Berührung kamen. Ihr Haus war ein Holzschuppen im rechteckigen römischen Stil. Die »Küche« war nicht mehr als ein Raum um eine Feuerstelle in einer mit Steinen umsäumten Grube; man hockte drum herum auf dem Boden.
Als Regina schluchzend hereingestürmt kam, ließ Carta die Zange fallen und lief zu ihr.
»Carta, o Carta, es war schrecklich!«
Carta drückte Reginas Gesicht an ihren nicht besonders sauberen Wollkittel und ließ sie weinen. »Schsch, meine Kleine.« Sie strich Regina über die Haare, so wie früher, als Regina ein verhätscheltes Villenkind und Cartumandua ein kleines Sklavenmädchen gewesen war.
Carta selbst war erst zwanzig. Aetius hatte ihr schon längst die Freiheit geschenkt und ihr erlaubt, in dieser kleinen Gemeinde am Fuß des Walls ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, aber Carta hatte in ihrem Leben immer noch Platz für Regina.
Als Regina sich so weit beruhigt hatte, dass sie ihr das Blut zeigen konnte, schnalzte Carta missbilligend. »Und niemand hat dich darüber aufgeklärt? Dieser alte Dummkopf Aetius sicher nicht, da wette ich.«
Regina schaute in neuem Entsetzen auf das getrocknete Blut. »Carta – ich habe Angst, dass ich sterbe. Das ist bestimmt etwas ganz Schlimmes.«
»Nein, das ist nichts Schlimmes – du bist einfach nur zwölf Jahre alt.« Und Carta erklärte ihr geduldig, was mit ihrem Körper passiert war, half ihr, sich zu säubern, und zeigte ihr, wie man sich aus einem mit Schnüren umwickelten Lendenschurz eine Binde machte.
Unterdessen kam Severus mit einem Bündel Feuerholz herein. Er war Soldat, ein massiger Mann mit schmutzigen Bartstoppeln. Er sah Regina finster an. Sie hatte ihn nie richtigen Militärdienst leisten sehen. Er arbeitete immer nur irgendwo in dem kleinen Dorf, schleppte Nahrungsmittel, reparierte Häuser und arbeitete sogar auf den Feldern, wo Hafer angebaut und Vieh gefüttert wurde. Im Schatten des Walls hatten sich die Grenzen zwischen den Soldaten und der restlichen Bevölkerung weitgehend verwischt, besonders seit die Eheschließung zwischen Einheimischen und Soldaten legalisiert worden war.
Regina mochte Severus nicht. Sie hatte immer gehofft, Carta würde sich mit Macco zusammentun, dem gleichmütigen, schweigsamen Sklaven, der sie von der Villa hierher begleitet hatte. Macco hatte sich jedoch eines Nachts davongeschlichen, offenbar um seine Freiheit in dem Land zu suchen, in dem die Gesetze des Kaisers nicht galten. Was Severus betraf, so schien er irgendwie eifersüchtig auf Reginas viel ältere Beziehung zu Carta zu sein. Regina wusste nicht einmal genau, was für eine Beziehung Severus und Carta eigentlich hatten. Sie waren jedenfalls nicht verheiratet. Regina glaubte, dass er ihr als Gegenleistung für ihre Gesellschaft ein gewisses Maß an Schutz gewährte – kein ungewöhnliches Arrangement.
Carta hatte allerdings das Heft in der Hand. Jetzt wartete sie nur, bis er das Holz hinwarf und wieder hinausging.
Dann machte sie ihnen beiden Brennnesseltee, und sie setzten sich auf Matten, die auf dem Boden lagen. Regina schilderte ihr, wie die Soldaten sie verspottet hatten – jetzt, wo sie nicht mehr befürchtete, sterben zu müssen, schien ihr dies das Schlimmste von allem zu sein –, und Carta tröstete sie, erklärte ihr aber, an solche Aufmerksamkeit müsse sie sich gewöhnen. Regina beruhigte sich allmählich.
Sie ließ den Blick über die rauchfleckigen Wände schweifen. Die Hütte bestand aus einer Holzkonstruktion, deren Lücken man mit Lehm und Stroh ausgestopft hatte.
»Woran denkst du gerade?«, fragte Carta.
Regina lächelte. »An die Küche meiner Mutter. Sie war so anders. Ich glaube, ich erinnere mich an einen großen Ofen mit Kuppeldach.«
Carta nickte. »Das stimmt. Man konnte Holzkohle hineintun und ihn verschließen. Und man konnte erstklassiges Brot darin backen – diese wundervolle trockene Hitze. Außerdem gab es auch noch einen erhöht angebrachten Herd.«
»Ich konnte nie drüber wegschauen. Ich möchte wissen, ob er noch da ist.«
»Ja«, sagte Carta fest. »Ganz bestimmt. Du weißt doch, dass dein Großvater
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