Der Orden
harmlos wirkender Mann, der nicht so aussah, als könnte er tausend Schritte laufen, geschweige denn eine Barbarenhorde abwehren.
»Ich habe den Wein nur getrunken, um den Andorn hinunterzuspülen, mit dem ich meinen Husten loswerden wollte, Präfekt.«
»Behandeln wir dich nicht gut? Genießt du keine medizinische Betreuung, wie sie nicht einmal die Bürger Londiniums bekommen könnten? Und entlohnst du es uns auf diese Weise, indem du deine Pflichten vernachlässigst?«
Regina wusste, dass Aetius’ Schelte für die Missetäter schwerer zu ertragen war als die Peitschenhiebe, die folgen würden. Doch nun hob der dicke Soldat den Arm und schüttelte ihn, sodass sein bronzener Geldbeutel klapperte. »Und entlohnt der Kaiser es mir auf diese Weise? Wann bist du das letzte Mal bezahlt worden, Präfekt?«
Aetius richtete sich auf. »Ihr werdet in Naturalien bezahlt. Der gegenwärtige Mangel an Münzen…«
»Ich muss mir trotzdem meine Kleider und meine Waffen kaufen und den alten Narren Percennius bestechen, damit er einen anderen für den Latrinendienst einteilt.« Dafür erntete er Gelächter. »Und das alles für das Privileg, darauf warten zu dürfen, dass ich den Holzspeer eines Pikten in den Arsch kriege. Was meinst du wohl, warum Paternus und die anderen weggelaufen sind?«
Regina machte große Augen; eine solche Aufsässigkeit hatte sie noch nie erlebt. Sie fühlte sich unangenehm an die Auflehnung jenes Bauern gegen ihren Vater erinnert.
Aber Aetius war nicht Marcus.
Er trat einen einzigen Schritt vor und schlug dem Mann mit seiner behandschuhten Hand an die Schläfe. Knochen prallte scheppernd auf Metall, und der Mann fiel seitwärts in den Schmutz. Grunzend rollte er sich auf den Rücken – und Regina sah, dass er die Hand tatsächlich an das Heft des Kurzschwerts an seiner Taille legte. Aber Aetius stand mit geballten Fäusten über ihm, bis er die Hand sinken ließ und den Blick abwandte.
Die anderen Soldaten gaben nicht den leisesten Mucks von sich.
Aetius zeigte auf zwei von ihnen. »Du und du. Ergreift ihn. Hundert Hiebe fürs Trinken auf Wache, hundert weitere für das, was er heute zu sagen hatte.«
Die Männer rührten sich nicht. Selbst aus dieser Entfernung spürte Regina die Spannung. Wenn sie jetzt Aetius’ Befehl verweigerten… Sie spürte eine Aufwallung von Hitze in ihrem Bauch und fragte sich, ob das Angst war.
Die beiden Soldaten ließen sich ihre Widerwilligkeit auf geradezu unverschämte Weise anmerken, als sie zu ihrem gestürzten Kameraden gingen. Aber sie bewegten sich. Aetius trat zurück, damit der Mann aufstehen konnte. Sie drehten ihm die Arme auf den Rücken und führten ihn zum Schandpfahl. Die Spannung löste sich allmählich. Aber Regina fühlte noch immer diese seltsame Wärme im Bauch.
Einer der Soldaten blickte hoch und zeigte auf sie. »Seht mal! Septimius – schau dir das an! Der rote Regen hat begonnen…« Die anderen Soldaten schauten zu Regina hinauf, zeigten auf sie und lachten. Aetius beschimpfte sie, aber nun war es mit ihrer Disziplin vorbei.
Sie merkte, wie ihr die Hitze in den Wangen brannte. Sie hatte keine Ahnung, was sie getan hatte.
Magnus war neben ihr. Er legte den Arm um sie und zog sie weg. »Komm. Leg meinen Umhang um. Ist schon in Ordnung.«
»Ich verstehe nicht«, sagte sie. Dann spürte sie Wärme an ihren Beinen. Sie senkte den Blick und sah Blut unter ihrer Tunika hervortropfen. Entsetzt schaute sie auf. »Magnus! Was ist los mit mir? Sterbe ich?«
Trotz seiner Kraft wirkte er so unsicher und schwach wie ein Kind; er konnte ihr nicht in die Augen schauen. »Frauenangelegenheiten«, stieß er hervor.
Jetzt begannen die Soldaten zu pfeifen. »All diese Jahre habe ich darauf gewartet, dass du endlich erblühst, kleine Blume!« -»Komm, setz dich auf mich, deinen alten Freund Septimius!« -»Nein, auf mich! Zuerst auf mich!« Einer von ihnen hatte seine Tunika gehoben und seinen Penis hervorgeholt und schüttelte ihn ihr nun wie ein schlaffes Stück Seil entgegen.
Regina nahm Magnus’ schweren, muffig riechenden wollenen Umhang und hüllte sich ein. Dann kletterte sie die Leiter zum Erdboden hinunter und lief über das vallum zur Siedlung, wobei sie ihr Gesicht verbarg.
Auch wenn Aetius noch so sehr schimpfte und wetterte, der verwirrende, erschreckende Wortschwall der Soldaten nahm kein Ende.
In ihren fünf gemeinsamen Jahren am Wall hatte Aetius Regina des Öfteren etwas von der Welt fernab des Walls erzählt. »Es gab
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